Lotan, A. M., Gronovich, Y., Lysy, I., Binenboym, R., Eizenman, N., Stuchiner, B., . . . Oberbaum, M. (2020). Arnica montana and Bellis perennis for seroma reduction following mastectomy and immediate breast reconstruction: randomized, double-blind, placebo- controlled trial.
European Journal of Plastic Surgery. doi:10.1007/s00238-019-01618-7
Arnica C30 und Bellis C30 verkürzen die Drainagezeit nach
einer Brust-Operation
Harald Walach
Vorbemerkungen
Eine neue placebo-kontrollierte Studie hat zum ersten Mal untersucht, ob die beiden homöopathischen Medikamente Arnica montana und Bellis perennis in einer Potenz C30 nach einer Brust-Amputation und -Rekonstruktion bei Patientinnen mit Brustkrebs die Drainage-Zeit wirksam verkürzen können.
Nach einer Brustoperation bei Krebspatientinnen muss die Wunde nämlich eine Weile mit einem Drainage-Schlauch versorgt werden, der das Serum nach außen leitet. Denn die Lymphgefäße müssen sich neu organisieren und die Resorption von Lymphe und Serum läuft erst langsam an. Diese Drainage leitet Körperflüssigkeit aus der Wunde und ist eine potenzielle Quelle von Problemen, weil sie Infektionen oder Entzündungen begünstigt. Daher ist eine Verkürzung der Liegezeit einer solchen Drainage wichtig.
Konventionell gibt es hierzu keine Möglichkeit, weswegen das israelische Forscherteam von der Hebrew University um Menachem Oberbaum, der schon an einigen Studien zur Homöopathie beteiligt war [1-4], in diesem Falle Homöopathie untersucht hat.
Das Studiendesign
In dieser Studie wurden 70 Patientinnen angesprochen und 55 konsekutive Patientinnen waren bereit mitzumachen und wurden aufgenommen. Sie erhielten alle wegen eines Brustkrebses eine Operation an der Brust, Amputation und Rekonstruktion, und bekamen randomisiert Placebo, oder homöopathische Therapie. 29 Patientinnen wurden in die Homöopathie-Gruppe gelost, 26 in die Placebo-Gruppe; 5 Patientinnen der Placebo-Gruppe und eine Patientin der Homöopathiegruppe brach die Behandlung ab, aber alle 55 Patientinnen wurden ausgewertet.
Das ist eine konservative Auswertungsmethode, die Standard ist bei guten klinischen Studien, die sog. „intention to treat“-Methode. Dabei bleiben alle Patienten in der einmal zugewiesenen Gruppe und gehen mit dem letzten Wert in die Auswertung ein, schlimmstenfalls eben als Therapieversager. Weil die Auswertungseinheiten bei manchen Parametern nicht Personen, sondern die Anzahl der Brüste war und bei manchen Frauen beide Brüste operiert wurden, sind in den Tabellen manchmal andere Zahlen zu finden, was in den Legenden nicht immer klar ist.
Zielkriterium
Bei allen Patientinnen wurde nach der Operation eine Drainage gelegt. Das Zielkriterium war denkbar einfach, klar und hart: Die Zeit, die die Drainage nach Urteil des Chirurgen zu verbleiben hatte. Der Chirurg war natürlich, genauso wie alles Personal und die Patientinnen, verblindet gegenüber der Behandlung. Die Behandlung bestand in einer Kombination aus Arnica C30 und Bellis perennis C30.
Arnica ist den meisten Menschen bekannt als das sog. „Fallkraut“ aus der Volksheilkunde. Dort ist es schon lange bewährt zur Behandlung von Prellungen, Stauchungen und inneren und äußeren Blutungen aller Art. Allerdings sollte man es nicht in Urtinktur und auch nicht direkt auf die Haut anwenden.
Daher potenziert es die Homöopathie schon lange, und es hat den Status einer effektiven ersten Hilfe-Arznei bei Verletzungen, allerdings normalerweise vor allem bei stumpfen Verletzungen wie Stauchungen, die innere Blutungen zur Folge haben.
Bellis perennis, das Gänseblümchen, ist weniger bekannt. Es hat allerdings auch einen guten Ruf als Arzneimittel bei Wunden, die im tieferen Gewebe liegen.
Über die formelhafte Handhabung kann man streiten…
In dieser Studie wurde jedes Mittel in der C30 verwendet. Arnica wurde kurz vor der Operation eingenommen. Dann Arnica und Bellis C30 vier bis sechsmal am Tag über 24 Stunden, dann 3 weitere Tage beides dreimal am Tag und schließlich nur noch Bellis dreimal am Tag bis zur Entfernung der Drainage.
Über eine solche formelhafte Handhabung homöopathischer Therapie kann man streiten. Sie hat Vorteile, denn im Erfolgsfalle wie hier, kann sie leicht übernommen werden. Sie hat Nachteile, denn je nach individueller Reaktion müsste man eigentlich die Dosierung anpassen, vielleicht weniger oder mehr, je nach Erfolg. Sei’s drum.
Die Gabe von mehr als einer Arznei ist in der Homöopathie im Akutfall durchaus üblich und wurde auch von Hahnemann hin und wieder empfohlen und selber verwendet. Hahnemann war ja ohnehin der schlechteste aller Hahnemannianer und hat sich auch an seine eigenen Vorschriften nicht immer gehalten, wie seine therapeutischen Tagebücher gezeigt haben [5].
Voll verblindet
Um
die Studie zu verblinden erhielten die Patientinnen der Placebogruppe genau das
gleiche Regime, auch mit zwei verschiedenen Behältnissen, die kodiert waren,
nur eben mit Placebo. Die Kodierung wurde mittels eines Computercodes von einer
dritten Instanz durchgeführt, die die Arzneien lieferte. Somit war die Studie
ganz verblindet. Die Medikation erfolgte als Zuckerkügelchen, 3 Stück als eine
Dosis. Während die richtigen Arzneimittelkügelchen mit einer alkoholischen
Lösung von Bellis bzw. Arnica C30 besprüht waren, wurden die Placebokügelchen
mit Alkohol der gleichen Konzentration besprüht, so dass sie nicht
unterscheidbar waren.
Neben dem Hauptzielkriterium wurden noch einige andere Variablen erfasst: Wundheilung und Komplikationen, Laborparameter, Schmerzen, Qualität der Erholung nach der Operation, gemessen am 4. Und 7. Tag der Operation.
Vergleichbarkeit der Gruppen
Bei solchen vergleichsweise kleinen Studien ist es immer wichtig zu sehen, ob die Patientinnen beider Gruppen einigermaßen vergleichbar waren, da die Randomisation eigentlich erst ab großen Studien mit ca. 100 bis 150 Leuten pro Gruppe konfundierende Variablen richtig gut per Zufall verteilt. Daher sieht man sich immer auch die Ausgangssituation der Patientinnen an. Diese war in diesem Falle relativ gut. Die Gruppen waren vor der Operation gut vergleichbar. Auch bei den Operationsprozeduren waren die Gruppen gut vergleichbar.
Nur was das Gewicht der amputierten Brüste und das Volumen der Implantate anging zeigten sich Unterschiede: Patientinnen der Placebo-Gruppe erhielten in der Operation mehr Brustgewebe entfernt und hatten daher ein höheres Implantat-Volumen. Dieser Unterschied trat erst nach der Randomisation und nach der Operation auf und die Autoren argumentieren, dass es keinerlei Hinweise darauf gibt, dass die Liegezeit von Drainagen mit der Menge des entfernten oder rekonstituierten Gewebes zusammenhängt und dass dieser Unterschied ja nach der Randomisation aufgetreten ist.
Das stimmt zwar, hätte aber meines Erachtens durch ein lineares Modell in der Auswertung aufgefangen werden können. Ein solches Modell hätte diesen Unterschied in die statistische Analyse mit einbeziehen können. Schade, dass die Autoren das nicht gemacht haben, denn so bleiben die Daten unnötig angreifbar.
Ergebnisse: siginifikanter Unterschied, mittelgroße Effektstärke
Beim Hauptzielkriterium ergab sich ein signifikanter Unterschied: die Liegezeit der Drainage betrug 11.1 Tag unter Homöopathie und 16,5 Tage unter Placebo. Die Effektstärke ist mit d = 0.4 mittelgroß. Dass der Effekt in einer Studie dieser Größe signifikant wurde, halte ich für einen kleinen Glücksfall. Denn die statistische Mächtigkeit liegt mit 1-beta = .37. Das bedeutet: Die Studie hatte die Wahrscheinlichkeit von 37% einen solchen Effekt zu entdecken, wenn er vorhanden ist. Damit haben die Autoren großes Glück gehabt, dass sie in dieser Studie einen signifikanten Effekt sahen. Vermutlich hatten sie auch einen größeren Effekt antizipiert.
Andere
Parameter waren nicht verschieden, außer dass es einen Trend gab. Dass in der
Homöopathie-Gruppe weniger Opiate gebraucht wurden, dürfte ein Hinweis auf
geringere Schmerzen sein. Allerdings haben die Autoren vergessen, die präzisen Daten
hierfür anzugeben und begnügen sich mit der Angabe des knapp nicht
signifikanten p-Wertes von 0.058. Bei dreizehn Brüsten ergaben sich
Komplikationen, die auf beide Gruppen gleich verteilt waren. Nebenwirkungen der
Behandlung wurden nicht beobachtet.
Vergleich von Arnica-Studien
Dies ist eine der wenigen Studien mit relativ klarem Ergebnis unter Arnica, das positiv für die Homöopathie ist. Es gibt eine Reihe von Studien zu Arnica, aber nur wenige zeigen eine deutliche Überlegenheit. Eine Serie von drei Studien bei Operationen zeigt in einer Studie, bei der Arnica bei Kreuzband-Operation eingesetzt wurde einen Effekt, nicht aber bei Arthroskopie.
Dafür ist der Effekt im gemeinsamen Ergebnis, in dem alle drei Studien zusammengerechnet werden, signifikant [6]. Es gibt auch Studien, bei denen Arnica tendenziell schlechter abschneidet als Placebo [7]. Woran das liegt, dass man bei einer anscheinend klaren Indikation – Blutung, Verletzung – und einer anscheinend passenden Medikation – Arnica -, die in der Praxis in aller Regel sehr zuverlässig funktioniert, in einer Studie manchmal keinen Effekt sieht, darüber kann man gut spekulieren. Wir rechnen gerade an einer Meta-Analyse und werden sehen, ob der gepoolte Effekt über alle Studien hinweg signifikant ist.
Arnica für offene Wunden?
Möglicherweise ist ja die Ausweitung der Arnica-Indikation auf offene Wunden, wie in der Chirurgie, gar keine so gute Idee. Denn Arnica hat in der Indikation vor allem die Folgen von Druck-, Prell- und Stauchverletzungen.
Die gehen zwar auch mit inneren Blutungen einher. Diese sind aber relativ begrenzt und erzeugen den berühmten Arnica-Schmerz – „wie zerschlagen“ – vor allem durch eine zwar kleine, aber drückende Raumforderung des Hämatoms in inneren, schmerzempfindlichen Bereichen wie Gelenkkapseln, Sehnenansätzen, zwischen Faszien, etc. Und dort dürfte durch rasche Resorption eine schnelle Schmerzlinderung einsetzen.
Ich habe das selber des Öfteren erlebt, als ich mir nach einem gezerrten Außenband mit einer großen Schwellung am Knöchel durch eine abwechselnde Gabe aus Arnica und Rhus toxicodendron innerhalb weniger Tage wieder die übliche Beweglichkeit und Belastbarkeit verschaffen konnte.
Wenn die Ausweitung auf offene Wunden mit Schnittverletzungen, wie bei Operationen, keine gute Arnica-Indikation ist, wären da andere Arzneien, wie Staphisagria und Bellis perennis und vielleicht auch Calendula, möglicherweise wesentlich geeigneter. Das müsste untersucht werden.
Einordnung
Was
mir beim Sichten der Arnica-Studien auffällt sind zwei Dinge:
Studien, die zum ersten Mal irgendwo mit diesem Modell – Arnica bei irgendeiner Verletzung – gemacht werden, sind in aller Regel deutlich signifikant und klar. Die frühe Studie von Hofmeyer zum Beispiel zeigt einen Effekt, aber nur von Arnica D6, nicht von D30, was eigentlich seltsam ist, wenn man von der klinischen Praxis ausgeht [8].
Die meisten Studien wenden die Therapie formelhaft an, also ein fixes Dosierungsschema. Dann tauchen immer wieder bei Nachfolgestudien oder Studien, die ein ähnliches Modell anwenden plötzlich deutlich mehr Besserungen unter Placebo auf, so als hätte sich die Arnica-Gabe verschlimmernd ausgewirkt. Das ist denkbar. Denn in der klinischen Praxis würde man Arnica-Gaben entweder nur so oft geben, bis Besserung einsetzt und dann aufhören, oder sie strecken, indem man die Kügelchen in Wasser auflöst und schluckweise alle Stunden einen kleinen Schluck nehmen lässt, oder eben überhaupt ein anderes Arzneimittel verwenden. Die formelhafte Verabreichung im Rahmen von Studien scheint nicht immer eine gute Idee zu sein.
Insofern haben die Autoren dieser Studie hier wohl Glück gehabt: Sie haben in einem durchaus ernsten, nicht einfachen Studienmodell mit einem sehr klaren, deutlich erfassbaren und klinisch relevanten Ergebnisparameter ein signifikantes und klinisch bedeutsames Ergebnis erzielt, obwohl die statistische Mächtigkeit zu wünschen übrig ließ.
Fazit
Diese Studie zeigt (wie etliche andere Studien): Eine methodisch sauber durchgeführte Studie kann klinische Effekte der Homöopathie über Placebo belegen – auch wenn homöopathische Arzneien bis in den ultramolekularen Bereich jenseits der Avogadroschen Zahl potenziert werden. – In diesem Bereich kann man mit keinen Molekülen der Ausgangssubstanz mehr rechnen.
Zentral ist aber auch, dass man gerade bei offenen Wunden dreierlei beachtet:
- Arnica nicht zu tief potenziert verabreichen
- Aufhören mit der Arzneimittelgabe, wenn sich die Besserung zeigt bzw. die Abstände zwischen Einnahmen von Nachfolgedosen verringern
- Gerade bei stark blutenden Wunden nach der Versorgung unter Umständen andere Arzneimittel in Betracht ziehen: Bellis, Staphisagria, Calendula.
Referenzen
- Yakir M, Klein-Laansma CT, Kreitler S, Brzezinski A, Oberbaum M, Vithoulkas G, Bentwich Z: A Placebo-Controlled Double-Blind Randomized Trial with Individualized Homeopathic Treatment Using a Symptom Cluster Approach in Women with Premenstrual Syndrome. Homeopathy 2019;108:256-269.
- Frass M, Friehs H, Thallinger C, Sohal NK, Marosi C, Muchitsch I, Gaertner K, Gleiss A, Schuster E, Oberbaum M: Influence of adjunctive classical homeopathy on global health status and subjective wellbeing in cancer patients – A pragmatic randomized controlled trial. Complementary Therapies in Medicine 2015;23:309-317.
- Oberbaum M, Yaniv I, Ben-Gal Y, Stein J, Ben-Zvi N, Freedman LS, Branski D: A randomized, controlled clnical trial of the homeopathic medication TRAUMEEL S in the treatment of chemotherapy-induced stomatitis in children undergoing stem cell transplantation. Cancer 2001;92:684-690.
- Yakir M, Kreitler S, Brzezinski A, Vithoulkas G, Oberbaum M, Bentwich Z: Effects of homeopathic treatment in women with premenstrual syndrome: a pilot study. British Homeopathic Journal 2001;90:48-153.
- Michalowski A, Sander S, Sauerbeck K-O: Therapiegeschichtliche Materialien zu Samuel Hahnemanns Pariser Praxis. Medizin, Gesellschaft und Geschichte 1989;8:171-196.
- Brinkhaus B, Wilkens JM, Lüdtke R, Hunger J, Witt CM, Willich SN: Homoeopathic arnica montana for knee surgery. Complementary Therapies in Medicine 2006;14:237-246.
- Ramelet A-A, Buchheim G, Lorenz P, Imfeld M: Homeopathic Arnica in postoperative haematomas: A double-blind study. Dermatology 2000;201:347-348.
- Hofmeyr GJ: Postpartum homoeopathic Arnica montana: a potency-finding pilot study. British Journal of Clinical Practice 1990;44:619-621.