Frankreich hat die Homöopathie aus der öffentlichen Erstattung genommen

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– wegen angeblicher Unwirksamkeit –

Ein paar Gedanken zum französischen Homöopathie Health Technology Assessment Bericht

Harald Walach

Im Sommer hat Frankreich bekanntlich die Homöopathie aus der öffentlichen Erstattung genommen. Grundlage dafür war ein offizielles Health-Technology-Assessment Dokument. In ihm werden Vorläufer-Entscheidungen, namentlich der Australische Bericht, genannt. Von diesem hat sich ja, das habe ich im letzten Blog dargelegt, gezeigt, dass die Behörde gegen ihre eigenen Richtlinien verstieß, einen positiven Vorgängerbericht klammheimlich in der Schublade verschwinden ließ, um dann mit dem offiziellen negativen aufzuwarten. Nun passiert in Frankreich etwas Ähnliches, nur anscheinend etwas systematischer und wissenschaftlicher und ohne, dass erst ein positiver Bericht entstehen konnte, den man dann peinlicherweise hätte verschwinden lassen müssen. Da ist die französische Bürokratie seit Napoleon um einiges effizienter. Wenn man das Dokument liest, das unter https://www.has-sante.fr/upload/docs/application/pdf/2019-06/homeopathie_pic_avis3_cteval415.pdf frei verfügbar ist [1], dann ist man erst einmal beeindruckt von der Sorgfalt der Hintergrundrecherche: 364 systematische Reviews und 517 randomisierte kontrollierte klinische Studien (RCTs) identifizierte sie. Da sag noch einer, es gäbe keine Forschung zur Homöopathie!

Doch dann passiert, zauber-zauber, Abrakadabra, das, was jeder systematische Reviewer unbedingt braucht, damit er überhaupt eine Chance hat den Überblick zu behalten: Dann werden ein paar ganz unschuldig klingende Ausschlusskriterien angelegt, die ganz vernünftig klingen und die Informationsdichte reduzieren. Da werden eben nur solche Einzelstudien eingeschlossen, die nicht schon in systematischen Reviews und Meta-Analysen verbacken sind. Und natürlich nur solche Studien, die nicht auch für Marktautorisierung verwendet worden sind. Das finde ich jetzt mal eine kluge Idee! Wenn man das auf konventionelle pharmakologische Produkte anwenden würde, dann hätte man gleich mehrere Klassen extrem teurer Medikamente vom Tisch, z.B. die meisten Krebsmedikamente, fast alle Psychotropika und vermutlich noch ein paar mehr. Warum da noch keiner drauf gekommen ist? Jedenfalls, man darf der Haute Autorité de Santé (HAS) zu dieser genialen Idee gratulieren. Außerdem sind alle Studien ausgeschlossen, die nicht auf Englisch und Französisch publiziert sind, denn andere Sprachen können sie ja bekanntlich in Frankreich nicht. Deutsch fällt dann flach. Und wenn man in die Liste der ausgeschlossenen Studien blickt, dann ist da eine ganze Reihe drunter, die deswegen nicht weiter in Betracht gezogen worden sind. Denkbar, aber eigentlich eine schlechte Idee, wenn man schon den Anspruch hat sorgfältig zu sein. Und dann, ja klar, werden alle Studien ausgeschlossen, die man nicht kriegt, weil sie vielleicht nur in einer obskuren Publikation in einem Verlag im Hindukusch verlegt sind. Kann man verstehen. Wenn man dann mal genau schaut, was das für Studien sind, die da nicht auffindbar waren (seitens der Bibliothéque National, schätze ich mal, Frankreichs Prachtstück, wo sozusagen alles, was auf der Welt an geistigem Wert publiziert wird, gebunkert wird), dann sieht man: Das waren Studien aus dem Jahr 2003 oder 2005, wichtige Studien, etwa die Sepsis-Studie von Frass, die in Homeopathy publiziert wurde [2]. Die meisten Studien, die da als nicht auffindbar markiert sind, kommen aus Homeopathy, eine der ältesten medizinischen Spezialzeitschriften, eine Zeitschrift die lange von Elsevier verlegt wurde, jetzt von Thieme, die Medline gelistet ist und mindestens einmal in jedem Land der Welt verfügbar ist. Die ist nicht auffindbar? Welche Bibliothekare waren denn da am Werk? – fragt man sich. Ja, und dann noch ein wichtiger, einsichtiger Grund: Wenn eine Intervention gar nicht Homöopathie war, sind die Studien auch ausgeschlossen. Klar, leuchtet ein. Dann sieht man ins Verzeichnis und stellt fest: Studien, die mit LM-Potenzen gemacht wurden, wurden grundsätzlich ausgeschlossen, etwa die wegweisende Studie von Heiner Frei und Kollegen, die gezeigt hat, dass man mit Homöopathie ADHS sehr gut behandeln kann [3] oder die Depressionsstudie von Adler [4], die wir vor kurzem besprochen haben. Das ist zwar ärgerlich, weil damit einige wirklich klinisch, wissenschaftlich und modell-theoretisch sehr gute Studien ausgeschieden wurden, aber in Frankreich gibt es eben keine LM-Potenzen in der öffentlichen Versorgung und von daher kann man das noch verstehen.

Auf jeden Fall, das Ergebnis der Zauberei: Aus den 881 Studien werden auf diese Weise ganze 21, die man zu Kenntnis nehmen muss; und von denen, die das öffentliche Versorgungssystem betreffen und die nicht notwendiger Weise randomisierte klinisch-experimentelle Studien waren sondern epidemiologische Beobachtungsstudien, bleiben dann noch fünf übrig. Die ganze Expertise stützt sich also auf 26 Studien. Das sind gerade einmal 3% der gesamten Datenbasis. Natürlich, man kann sich auf den Standpunkt stellen, dass die Synthese der Einzelstudien ja von den systematischen Reviews gemacht worden ist. Das stimmt dann, wenn diese Reviews sauber gemacht worden sind bzw. wenn deren Ausschlusskriterien nicht auch auf wackligen Beinen standen. Da das nicht immer gegeben ist, ist aus meiner Sicht dieses Vorgehen nur begrenzt zulässig. So gilt auch hier, was ich schon bei früherer Gelegenheit immer wieder betont habe, ein Schluss, den Hahn (https://www.karger.com/Article/FullText/355916) deutlich gemacht hat [5]: Man kann nur dann zum Schluss kommen, dass Homöopathie klinisch unwirksam ist, wenn man mehr als 90% aller Daten ignoriert. Genau das ist nun mal wieder passiert. Dann stimmt natürlich die Schlussfolgerung. Dann sieht auch alles ganz wissenschaftlich aus, und dann kann man die Entscheidung natürlich auch politisch vertreten. Mein Eindruck ändert sich dadurch kaum, was die öffentliche Behandlung der Homöopathie angeht und meine Diagnose ist nach wie vor:

Die Homöopathie stellt ein theoretisches Ärgernis dar. Denn wir verstehen nicht, wie das denn überhaupt funktionieren können soll. Also, so die Konsequenz der meisten, kann es apriori gar nicht funktionieren. Dann setzen wir den Filter auf, der auch genau dieses Ergebnis erzeugt, indem wir all die Daten, die dieser Vormeinung nicht entsprechen, ignorieren. Und fertig ist die Zitierkatze, die sich in den Schwanz beißt: Kann nicht funktionieren, sagt die Vormeinung. Wird nicht funktionieren, sagt die Erwartung. Funktioniert auch nicht, sagt das HTA-Ergebnis, gestützt auf all die Daten, die diese Meinung bestätigen.

Vielleicht sollte man nochmals auf einen winzigen Sachverhalt hinweisen, den ich vor Zeiten schon mal kurz beschrieben habe (https://www.homöopathie-forschung.info/alles-zufall/): Vor vier Jahren erschien ein amerikanischer Marktforschungsbericht, der der Homöopathie ein wirtschaftliches Wachstum weltweit von 400 Millionen Marktumsatz auf 17 Milliarden prophezeite, also ein Wachstum um den Faktor 40, getrieben von der Entwicklung in Europa, vor allem in Deutschland. Ich glaube nicht, dass es irgend eine Industrie weltweit gibt, die Robotik und Biotechnologie eingeschlossen, die von derart märchenhaften Wachstumszahlen ausgehen kann, und ich weiß auch nicht, ob der Bericht recht hat und ob die Information stimmt; mir erscheint er nach wie vor sehr traumtänzerisch und den ganzen Bericht habe ich nicht lesen können, weil er 2.500 USD kostet. Aber die Faktizität ist in postfaktischen Zeiten egal. Wichtig ist, was wichtige Akteure glauben, dass faktisch stimmt. Und dass manche „stakeholder“, also Interessensgruppen, solche Informationen nicht gerne hören und dann über Verdrängungsoperationen nachdenken, das kann man leicht nachvollziehen und dazu gehört nicht einmal ein ausgesprochen verschwörungstheoretisches Naturell. Ich denke, es genügt, wenn man systemtheoretische Überlegungen heranzieht: Die Homöopathie passt nicht ins herrschende Denkmodell und auch nicht ins herrschende Versorgungssystem der vor allem apparativ und molekularbiologisch orientierten Versorgung. Da dieses Modell immer mächtiger wird, ist es kein Wunder, wenn es Unkraut auszumerzen versucht, wie das die hochtechnisierte Landwirtschaft auch macht. Irgendwann, wenn das Unkraut dann ausgemerzt ist, kommt man dann drauf, welch wichtige Rolle es in der Ökologie, der Tier- und Pflanzenwelt gespielt hat und versucht es dann mühsam wieder anzusiedeln, Klatschmohn und Kornblume am Rande der Weizenfelder, wo es schön aussieht, aber nicht stört. Hoffentlich haben wir genügend Verstand und Toleranz, um an dieser Stelle anders mit der Homöopathie umzugehen. Jedenfalls ein großes Vorbild ist der französische HTA-Bericht nicht, und Politiker sollten es sich mindestens dreimal überlegen, ob sie sich der Peinlichkeit hingeben wollen, ihn zu zitieren.

  1. Haute Autorité de Santé. (2019). Commission de la Transparence: Évaluation des médicament homéopathiques soumis à la procédure d’enregistrement prévue à l’articcle L.5121-13 du CSP. Zugriff am 18.12.19 auf https://www.has-sante.fr/upload/docs/application/pdf/2019-06/homeopathie_pic_avis3_cteval415.pdf.
  2. Frass, M., Linkesch, M., Banyai, S., Resch, G., Dielacher, C., Löbl, T., et al. (2005). Adjunctive homeopathic treatment in patients with severe sepsis: a randomized, double-blind placebo-controlled trial in an intensive care unit. Homeopathy, 94, 75-80.
  3. Frei, H., Everts, R., von Ammon, K., Kaufmann, F., Walther, D., Hsu-Schmitz, S.-F., et al. (2005). Homeopathic treatment of children with attention deficit disorder: a randomised, double-blind, placebo controlled crossover trial. European Journal of Pediatrics, 164, 758-767.
  4. Adler, U. C., Paiva, N. M. P., Cesar, A. T., Adler, M. S., Molina, A., Padula, A. E., et al. (2009). Homeopathic individualized Q-potencies versus fluoxetine for moderate to severe depression: double-blind, randomized non-inferiority trial. eCAM, doi:10.1093/ecam/nep114.
  5. Hahn, R. G. (2013). Homeopathy: Meta-Analyses of pooled clinical data. Forschende Komplementärmedizin, 20, 376-381.
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Wirklichkeit, Fakten, Realität

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Der ursprüngliche australische Homöopathiebericht des National Health and Medicine Research Council (NHMRC) und ein paar Gedanken zu Daten in Zeiten politischer Kämpfe

Harald Walach

Zu Zeiten, in denen sich selbst ansonsten kluge Leute wie der halbe Grünenvorsitzende Robert Habeck zu öffentlichen Aussagen hinreißen lassen, die Homöopathie hätte keine über den Placebo-Effekt hinausgehende Wirkung, ist es nützlich zu überlegen, woher so vielbeschäftigte Leute wie Habeck und viele andere in den Medien die Zeit nehmen, um sich so gründlich zu informieren, dass sie solche Sätze ungeschützt und offenbar ohne jede Zweifel formulieren können. Meistens stößt man dann ziemlich rasch auf den sog. „Australischen Homöopathiebericht“ oder, ausführlicher, den Bericht des Australian National Health and Medical Research Council (NHMRC). Das ist ein sog. Health Technology Report, also ein pragmatischer Bericht darüber, inwiefern eine Intervention, in dem Fall die Homöopathie, der Sache nach gut genug wirkt und politisch und ökonomisch vertretbar ist. Solche Berichte mischen in der Regel wissenschaftliche mit pragmatisch-politischen Erwägungen, weil es am Ende darum geht, eine Intervention im Rahmen eines öffentlichen Gesundheitssystems anzubieten.

Dieser NHMRC-Bericht zur Homöopathie kam zum Schluss, Homöopathie hätte keinen wesentlich über den Placebo-Effekt hinausgehende Wirkung und solle daher nicht im Rahmen des öffentlichen Gesundheitssystems Australiens angeboten werden. Dazu muss man zwei Dinge wissen:

  1. Der Bericht stützt sich nicht auf Originalliteratur, also auf die originalen klinischen Studien, die eigentlich allein eine Basis für solche Schlussfolgerungen abgeben. Er geht vielmehr nur auf die Ebene der sekundären Analysen, also systematische Reviews und Meta-Analysen, deren Prämissen und Schlussfolgerungen er übernimmt.
  2. Der offiziell publizierte Bericht ist bereits der zweite seiner Art. Der erste verschwand still und heimlich in der Schublade der Medizinbürokraten. Warum?

Hier wird es spannend. Die Tatsache, dass es einen ersten Vorgängerbericht gab, war lange ein gut gehütetes Geheimnis der australischen Behörden, bis über einige Leaks bekannt wurde, dass es einen unter Verschluss gehaltenen Vorgängerbericht gab (https://www.informationen-zur-homoeopathie.de/?p=1037). Australische und später auch englische Homöopathen und Institutionen bemühten sich zunächst auf informellem, dann auf formellen Weg den Zugang zu dem ursprünglichen Bericht zu erhalten. Als das nichts fruchtete klagte das Homeopathic Research Institute (HRI) in London zusammen mit einigen australischen Homöopathen formell auf Freigabe des Berichts im Rahmen des Freedom of Information Acts, also der öffentlichen Verfügbarkeit von behördlichen Informationen. Das war nun erfolgreich und vor einigen Wochen wurde der erste Bericht, grummelnd und mit vielen Wenns und Abers freigegeben.1 Hier kann man ihn nachlesen: https://www.hri-research.org/resources/homeopathy-the-debate/the-australian-report-on-homeopathy/.

Dort tauchen dann erstaunliche Dinge auf: Die Autoren des Berichts, eine unabhängige universitäre Arbeitsgruppe, die ansonsten meines Wissens wenig mit Homöopathie zu tun hat, kommen zu dem Schluss, dass Homöopathie bei folgenden Indikationen einen zwar nicht unbedingt starken, aber immerhin vorhandenen Beweis der Wirksamkeit über Placebo hinaus erbracht hätte:

  • Otitis media
  • Ileus
  • Fibromyalgie
  • Obere Atemwegsinfekte bei Erwachsenen
  • Nebenwirkungen von Krebsbehandlungen, und zwar Stomatitis und Dermatitis, die aufgrund von Bestrahlungen und Chemotherapie auftreten können

Das sind wohlgemerkt nur diejenigen Indikationen, für die ausreichend viele Studien für quantitative oder qualitative Zusammenfassungen nach Indikationsgebieten möglich sind und für die diese Zusammenfassungen positiv ausgefallen sind. Für viele andere Gebiete gibt es gar keine Zusammenfassungen, und für manche fielen diese auch negativ aus.

Warum dieser erste Bericht in der Schublade verschwand und umgehend ein neuer in Auftrag gegeben wurde, wird das Geheimnis der Behörde bleiben. Die offizielle Lesart ist: Der erste Bericht sei nicht ausreichend wissenschaftlich gewesen. Wer auch nur kursorisch den ersten Bericht liest, in dem dann auch die Randbemerkungen des Lektors oder der Lektorin des NHMRCs zu finden sind, der kann sich des Eindrucks nicht erwehren: Da hat irgendjemandem die Schlussfolgerung nicht gefallen und darum mussten ausreichend viele Haare in der Suppe gefunden werden, um sie neu kochen zu lassen.

Es ist übrigens interessant sich die einzelnen Indikationen anzusehen: Es sind allesamt solche, für die konventionell wenig Behandlungsoptionen bestehen. Bei Otitis media, eine hauptsächlich bei Kindern vorkommende Krankheit, werden zwar gerne Antibiotika verordnet. Diese sind aber zum einen meistens nicht indiziert, weil die Erkrankung bei Kindern häufig viralen Ursprungs ist und außerdem auch nicht sonderlich effektiv in der Verhinderung von Komplikationen2,3, führen überdies zu Resistenzbildungen4 und erhöhen die Gefahr späterer chronischer entzündlicher Darmerkrankungen und Diabetes 5,6.

Bei Fibromyalgie sind allenfalls verhaltenstherapeutische Hilfen und vielleicht Achtsamkeitsinterventionen erfolgversprechend, aber keine konventionell-pharmakologischen. Für die anderen Indikationen gibt es keine guten konventionellen Optionen der Behandlung. Warum also will man partout die vorhandene Datenlage, die zeigt, dass die Homöopathie hilfreich sein kann, nicht zur Kenntnis nehmen? Könnte es sein, dass, wie schon des Öfteren beobachtet, weniger die Daten als eine politisch-weltanschauliche Voreingenommenheit den Ausschlag gibt?

Aber einmal ganz abgesehen von diesen Argumenten und Informationen: Ein tertiärer Literaturbericht, und um einen solchen handelt es sich hier, kann nur so gut sein, wie die sekundäre Literatur, die in ihn einfließt. Manche dieser sekundären Reviews sind ganz ordentlich, setzen aber manchmal Einschluss Kriterien, die die in Frage kommende Originalliteratur einengen, und verkürzen so das Bild, ganz abgesehen davon, dass einige Akteure in dem Feld gerne mal schlampig arbeiten, was man erst bei genauerem Hinsehen bemerkt7.

Ich finde, ein nationaler HTA-Bericht, der bindende Wirkung haben soll, sollte sich zumindest die Mühe machen, die Originalliteratur zu sichten. Ginge nicht, sagten die Auftraggeber ursprünglich, weil zu viel Literatur da wäre und das zu lange dauern würde. Interessant, oder? Auf der einen Seite hört man immer, es gäbe keine Information und keine Studien zur Homöopathie, auf der anderen Seite begründet eine offizielle, staatliche Beratungsbehörde es wäre zu viel Originalliteratur, als dass man sich in sie vertiefen könne. Ein anderer HTA-Bericht zur Homöopathie, der die Originalliteratur gesichtet hat, kommt zu genau gegenteiligen Schlüssen8: Homöopathie sei effektiv und solle Teil des Gesundheitssystems sein.

Ich habe bereits in meinem letzten Blogbeitrag darauf hingewiesen: Weder beim NHMRC-Bericht noch in der momentanen Debatte geht es um Daten. Wenn es nur um Daten ginge, blieben lediglich zwei Optionen: Entweder, man verwendet die gängigen Kriterien, die für alle medizinischen Interventionen gelten. Dann müsste man die Homöopathie zähneknirschend als wirksam anerkennen. Oder man verwendet die durchaus harten und oftmals überaus scharfen Kriterien, die die Cochrane Collaboration anwendet. Dann würde man vermutlich dem zweiten NHMRC-Bericht folgen und argumentieren, es gäbe zwar Studien zur Homöopathie, aber die sind noch nicht groß genug, gut genug, repräsentativ genug. Dann müsste man aber auch vermutlich 80% dessen, was in der konventionellen Praxis geschieht aus der öffentlichen Versorgung, genauer aus der Erstattung ausschließen. Denn maximal 20% – bei wohlwollender Lesart – dessen, was derzeit in der Medizin geschieht ist wirklich so gut untersucht und zweifellos wirksam, dass man dazu keine Forschung mehr braucht9. Wollen wir das? Wäre das vernünftig?

Nein, wäre es nicht. Warum nicht? Ganz einfach. Weil wir noch viele andere Erkenntnisquellen außer randomisierten Studien haben, und weil solche Studien nur einen bestimmten Ausschnitt der Wirklichkeit in den Blick nehmen. Auch andere Daten – Kohortenstudien, Einzelfälle, Erfahrungen, nicht-randomisierte Vergleiche, historische Vergleich – spielen bei unseren Bewertungen eine wichtige, wenn auch schwer formalisierbare Rolle, wie wir des Öfteren gezeigt haben10,11. Und mit einer komplexeren, nämlich Bayes’schen Analyse könnte man das formalisieren, wie wir an einem konkreten Beispiel, der ketogenen Diät, ebenfalls belegt haben12.

Die Polemik gegen die Homöopathie ist politischer Korrektheit geschuldet. Eine Minderheit von lauten Stimmen, die Definitionshoheit für sich beanspruchen, hat die politische Parole ausgegeben: Weg mit der Homöopathie, sie passt uns nicht in den Kram. Und pflichtschuldigst stimmen alle, die dazu gehören und modern sein wollen, in diesen Hymnus ein. Sachlich, das haben wir gesehen, ist das in keiner Weise gerechtfertigt. Aber es ist politisch opportun. Woraus man lernt: Das politisch Opportune und das sachlich Richtige sind zwei sehr verschiedene Paar Stiefel, so wie Realität und Wirklichkeit.

Referenzen

  1. National Health and Medical Research Council, International Center for Allied Health Evidence. The Effectiveness of Homeopathy: An Overview Review of Secondary Evidence – An Annotated Draft Report. Canberra, AU: National Health and Medical Research Council, 2019, orif. 2012.
  2. Szőke H, Maródi M, Sallay Z, Székely B, Sterner MG, Hegyi G. Integrative versus Conventional Therapy of Chronic Otitis Media with Effusion and Adenoid Hypertrophy in Children: A Prospective Observational Study. Complementary Medicine Research 2016; 23(4): 231-9.
  3. Grelotti DJ, Kaptchuk TJ. Placebo by proxy: Clinicians‘ and family members‘ feelings  and perceptions about a treatment may influence their judgments about its effectiveness. British Medical Journal 2011; 343: d4345.
  4. Costelloe C, Metcalfe C, Lovering A, Mant D, Hay AD. Effect of antibiotic prescribing in primary care on antimicrobial resistance in individual patients: systematic review and meta-analysis. BMJ 2010; 340: c2096
  5. Livanos AE, Greiner TU, Vangay P, et al. Antibiotic-mediated gut microbiome perturbation accelerates development of type 1 diabetes in mice. Nature Microbiology 2016; 1: 16140.
  6. Hviid A, Svanström H, Frisch M. Antibiotic use and inflammatory bowel disease in childhood. Gut 2011; 60: 49-54.
  7. Vickers AJ. Reducing systematic reviews to a cut and paste. Forschende Komplementärmedizin 2010; 17: 303-5.
  8. Bornhöft G, Matthiessen PF, editors. Homeopathy in Healthcare: Effectiveness, Appropriateness, Safety, Costs. Heidelberg: Springer; 2012.
  9. El Dib RP, Atallah AN, Andriolo RB. Mapping the Cochrane evidence for decision making in health care. Journal of Evaluation in Clinical Practice 2007; 13: 689-92.
  10. Walach H, Falkenberg T, Fonnebo V, Lewith G, Jonas W. Circular instead of hierarchical – Methodological principles for the evaluation of complex interventions. BMC Medical Research Methodology 2006; 6(29).
  11. Walach H, Loef M. Using a matrix-analytical approach to synthesizing evidence solved incompatibility problem in the hierarchy of evidence. Journal of Clinical Epidemiology 2015; 68: 1251-60.
  12. Klement RJ, Bandyopadhyay PS, Champ CE, Walach H. Application of Bayesian evidence synthesis to modelling the effect of ketogenic therapy on survival of high grade glioma patients. Theoretical Biology and Medical Modelling 2018; 15(12).
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Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Homöopathie

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Einige Überlegungen und Daten in 3 Teilen

Harald Walach

Derzeit häufen sich öffentliche Einlassungen zum Thema Homöopathie in der veröffentlichten Meinung, meistens mit dem anscheinend klaren Konsens: Homöopathie ist Placebo, also sollte es von der medizinischen Bildfläche verschwinden.

Wie immer bei solchen – oft von Aktivisten befeuerten Kampagnen, über deren Motive man zwischendurch einmal nachdenken sollte – ist die Diskussion extrem verkürzt. Daher will ich in einer Artikelserie mit drei Folgen unsere ursprünglich geplante Diskussion einzelner Studien unterbrechen.

Wir beginnen mit der juristischen Lage in Deutschland und warum es dazu kam, fahren dann fort mit ein paar Gedanken zur Wirksamkeit und schließlich zur Wirtschaftlichkeit.

Zulassung, rechtlicher Status und Prüfung von Homöopathika im deutschen Arzneimittelrecht

Der Gesetzgeber hat in Deutschland die Zulassung von Homöopathika und anderen naturheilkundlichen Arzneien im Arzneimittelgesetz geregelt.

Wie das Arzneitelegramm in seiner Juni-Ausgabe richtig berichtet, gibt es für die Phytotherapie, die anthroposophischen Medikamente und die Homöopathika im deutschen Arzneimittelrecht von den konventionellen Pharmaka verschiedene Zulassungsvoraussetzungen. Während neue chemische Arzneien einem komplexen Testverfahren unterzogen werden, müssen die anderen Arzneien diese Verfahren nicht durchlaufen.

Die Zulassung konventioneller, neuer Pharmaka

Potenzielle Wirksamkeit und Toxizität: Phase I

Das Testverfahren für neue chemische Arzneien sieht meistens so aus: Erst wird im Tierversuch im Rahmen eines Modells getestet, ob eine neue Substanz überhaupt eine Chance hat, therapeutisch zu wirken.

Dazu nimmt man Tiere, meistens Mäuse, die entweder genetisch so verändert sind, dass sie die zu behandelnde Krankheit von Natur aus bekommen, z.B. Diabetes-Mäuse, und behandelt sie dann mit dieser neuen Substanz, um zu sehen, ob sich irgendwelche klinischen Parameter, z.B. der Blutzuckerspiegel oder die langfristige Anlagerung von Zucker an Blutproteine verändert.

Oder aber man gibt den Fremdstoff, z.B. Tumorzellen, in eine gesunde Maus ein, so dass sie einen Tumor entwickelt und testet dann den neuen Stoff, z.B. ein neues Immuntherapeutikum oder ein neues Chemotherapeutikum.

Solche Studien werden meistens im Labor des Herstellers gemacht oder ausgelagert an Universitätsinstitute, die dann mit Geldern der Hersteller, sog. „Drittmittel“ diese Versuche machen.

In dieser Phase fallen bereits viele Substanzen durch, weil sie weniger wirksam sind, als man zunächst gedacht hatte.

Wenn sie aber im Tiermodell – so heißen diese Versuche in der Fachsprache – klinisch wirksam sind, also im kranken Tier relevante klinische Maße verändert haben, dann folgen zunächst erste Sicherheitsstudien. Genauer gesagt sind das Vergiftungsstudien. Denn nun werden andere Tiere mit relativ hohen Dosen des neuen Stoffes behandelt um zu sehen, ab welcher Dosis z.B. die Hälfte der Mäuse stirbt. Es werden auch Versuche gemacht, bei denen man an schwangeren Mäusen untersucht, ob es zu Missbildungen bei Föten kommt. Es ist dabei wichtig zu verstehen: Bei den meisten dieser Versuche werden die Tiere am Ende getötet, denn sie sind entweder ohnehin so schwer krank, dass sie elend verenden müssten, oder aber man muss sie töten, um bestimmte Parameter – etwa die Vergrößerung der Leber, oder Veränderungen im Gehirn – messen zu können.

Sicherheit und Unbedenklichkeit beim Menschen: Phase II

Wenn nun diese ersten Versuche vielversprechend sind und wir eine neue Substanz vor uns haben, bei der im Tierversuch Wirksamkeit und die mögliche Vergiftungsschwelle festgestellt wurde, dann werden erste Versuche am Menschen gemacht.

Zunächst wird in sog. Phase-2-Studien die Sicherheit am Menschen getestet.

Das sind meistens die Versuche, bei denen gesunde Freiwillige gesucht werden, die dann für ein paar Tage oder eine Woche in ein Labor eingeladen werden, wo sie mit der Substanz versorgt werden und man alle wichtigen physiologischen Funktionen untersucht, um zu sehen, ob das gewöhnliche Einnehmen einer solchen Substanz ein Sicherheitsrisiko darstellt. Gesunde Menschen vertragen solche Substanzen in der Regel ohne Probleme, weil man ja auch mit Dosen arbeitet, die – abgeleitet von der tödlichen oder schädigenden Dosis an der wesentlich kleineren Maus – viel geringer sind als diejenigen, die das Tier schädigen würden.

Aber dennoch kommt es immer wieder zu Zwischenfällen.

Daher sind die Probanden versichert und erhalten auch meistens ein relativ gutes Honorar – weil solche Versuche potenziell nicht ungefährlich sind.

Daher werden solche Versuche i.d.R. an einer eher kleinen Gruppe von Probanden durchgeführt. – Häufig sind das Studenten.

Und das ist auch der Grund, warum echtes Nebenwirkungspotenzial von neuen, zugelassenen Substanzen oft erst viel später sichtbar wird. Denn in dieser Phase werden nur solche Substanzen ausgefiltert, die schon bei der gewöhnlichen klinischen Dosierung sichtbare Probleme bereiten.

Klinische Wirksamkeit bei Patienten (Efficacy): Phase III

Wenn diese zweite Phase erfolgreich war, dann beantragen die Hersteller bei der Zulassungsbehörde, dem Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM), die Zulassung einer Phase-3-Studie. Das ist eine klinische Studie, bei der Patienten behandelt werden, die die Krankheit haben, für die die neue Substanz als Arznei vorgesehen ist. In der Regel werden solche klinischen Studien so geplant, dass gerade so viele Patienten eingeschlossen werden, wie man vermutlich braucht, um einen klinischen Effekt zu sehen. Nicht mehr und nicht weniger. Das hat ethische und wirtschaftliche Gründe. Zum einen will man nicht unnötig viele Patienten behandeln, wenn man noch nicht weiß, ob eine Substanz wirkt. Zum anderen kosten solche Studien enorm viel Geld. Daher hält man sie so klein wie möglich und macht sie gerade so groß wie nötig. Nun stellt sich die Frage der Kontrollbehandlung. Wenn für eine Krankheit bereits wirksame Behandlungen bekannt sind – sagen wir ein Hersteller will ein neues Immuntherapeutikum gegen Brustkrebs auf den Markt bringen – dann werden in aller Regel aktive Vergleichsstudien geplant, bei denen, je nach vermutetem Wirkprofil die Gleichwertigkeit mit vorhandenen oder die Überlegenheit gegenüber solchen Arzneien getestet wird.

Handelt es sich um eine relativ neue Substanz für eine Krankheit, bei der es keine oder wenig Standardbehandlungen gibt, dann fordert die Behörde meistens placebo-kontrollierte Studien. Diese werden in letzter Zeit aber immer weniger durchgeführt und gefordert, weil es eben schon relativ viele Substanzen gibt, die im klinischen Falle verwendet werden und die Frage meistens weniger die ist, ob eine neue Substanz besser wirkt als Placebo als die, ob sie gleich gut (und z.B. billiger und mit besseren Nebenwirkungsprofil) ist als bereits auf dem Markt befindliche Medikamente. Placebo-kontrollierte Studien werden meistens bei Krankheiten durchgeführt, wo es noch nicht viel Vergleichbares gibt, oder wo man mit einem relativ hohen Placebo-Effekt oder mit hohen Spontanheilungsraten rechnet.

Das ist oft nicht die Entscheidung des Herstellers allein, sondern auch der Zulassungsbehörde. Hier ist in Deutschland wie gesagt das Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM), oder für Europa die European Medicines Agency (EMA), oder für die USA die Federal Drug Agency (FDA) zuständig. Diese operieren selbständig, aber meistens bedeutet die Zulassung bei einer der größeren Behörden einen erleichterten Zugang zu einem anderen Markt. In der Regel fordern die Behörden mindestens eine, oft zwei kontrollierte Studien, die die Wirksamkeit der neuen Substanz belegen sollen. Dabei ist es unerheblich, wie viele Studien der Hersteller gemacht hat, die erfolglos waren und keine Wirksamkeit belegt haben. Wichtig ist, dass eine oder meistens zwei im Portfolio sind, die eine Wirksamkeit belegt haben.

Diese Situation ist wie gesagt zentral für die Zulassung einer Substanz. Ob sie damit auch wirklich klinisch relevant wirkt, ist eine ganz andere Frage.

Sicherheit und klinische Effektivität (Effectiveness): Phase IV und Post Marketing Surveillance (PMS)

Die klinische Effektivität lässt sich nämlich nur im Überblick prüfen: über alle durchgeführten Studien hinweg, z.B. in einer Meta-Analyse, oder in sehr großen klinischen, pragmatischen Studien, bei denen zum Beispiel die neue Substanz in einer großen randomisierten Studie, bei der also Teilnehmer per Zufall auf Gruppen verteilt werden, im Vergleich mit konventioneller Behandlung, in der wenig Ausschlußkriterien verwendet werden. Typische Phase III – Studien enthalten nämlich meistens ziemlich viele Ein- und Ausschlußkriterien, um die Patientengruppe möglichst homogen zu halten, damit man einen potenziellen Behandlungseffekt leichter erkennen kann. Das vermindert sozusagen das Rauschen, damit das Signal leichter erkennbar wird. In der klinischen Praxis hat man aber meistens keine derart saubere Situation. Die meisten Antidepressiva-Studien zum Beispiel werden mit Patienten gemacht, die nur Depression haben, sonst nichts, und die auch keine anderen Medikamente nehmen.

Solche Patienten sind allerdings selten. Daher dauern solche Zulassungsstudien oft auch lang und sind teuer. In der klinischen Praxis kommen solche „reinen“ Patienten nicht oft vor. Die meisten haben zu ihrer Depression oder Zielerkrankung auch noch andere Krankheiten, nehmen noch andere Arzneien, oder sind sonst irgendwie anders.

Pragmatische Studien versuchen nun typische Patienten, ohne viel Ein- und Ausschlußkriterien einzuschließen.

Solche Studien sind eigentlich nicht mehr im Interesse der Hersteller und werden daher auch selten von ihnen finanziert.

Die öffentliche Hand – Universitätsinstitute und staatliche Förderstellen – finanzieren noch am ehesten solche Studien. Aber im Vergleich zum Budget der Firmen sind diese Forschungsbudgets sehr klein. Daher wissen wir auch wenig über die klinische Brauchbarkeit von neu zugelassenen Arzneien, kurz nachdem sie auf den Markt gekommen sind. Wir wissen nur: Sie wirken! – Wir wissen nicht: wie gut, bei wem und bei wem nicht. Und wir wissen auch wenig über deren Nebenwirkungspotenzial. Zwar werden in den typischen Phase-III-Studien auch viele Frage zur Sicherheit und zu Nebenwirkungen gestellt und diese Punkte werden bei der Zulassung berücksichtigt. Bedenkt man aber, dass typische Zulassungsstudien oft nur 50 bis 200 Patienten behandeln, in seltenen Fällen (und bei sehr kleinen pharmakologischen Effekten) auch mal bis zu mehreren Tausend, dann kann man sich leicht ausrechnen, dass seltene, aber schwerwiegende Fälle statistisch gesehen in solchen Zulassungsstudien nicht auftauchen.

Diese seltenen, aber schweren Nebenwirkungen tauchen erst in großen Vergleichsstudien der Phase IV oder in sog. Post-Marketing Surveillance Studien auf. Das sind Beobachtungsstudien, bei denen verordnende Ärzte den beobachteten Effekt und Nebenwirkungen der neuen Substanz in der klinischen Praxis dokumentieren.

Das ist auch der Grund, warum  bei manchen Substanzen die Erkenntnis, dass sie zu gefährlich sind, um sie regulär anzuwenden, oft um 10 Jahre oder länger hinter der Zulassung hinterherhinkt.

Es brauchte erst den Vioxx-Skandal, um die Gefährlichkeit der neuen Cox2-Inhibitoren zu erkennen, die eben manchmal zu Herztod führen können.1-5

Das Selbstmordpotenzial von selektiven Serotonin-Reuptake-Inhibitoren, vor allem bei Kindern und Jugendlichen, aber auch bei anderen, benötigte fast 20 Jahre von den ersten Berichten bis zur Aufnahme in den Beipackzettel.6-11

Wirksamkeit, Zulassung und klinische Brauchbarkeit

Diese Situation führt nun zu der merkwürdigen Situation, dass wir jede Menge zugelassener Substanzen haben, die dann oft auch noch jenseits der ursprünglich definierten Zulassungsbedingungen („off label use“) angewandt werden, also offiziell „wirksam“ sind, deren klinische Brauchbarkeit aber zweifelhaft ist.

Hier sind zwei Beispiele, die gerade angesichts der Grippesaison, die im Anrollen ist, bedenkenswert sind:

Vor einigen Jahren machten die Neuroaminidase-Hemmer als Grippemittel Furore (z.B. https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2000/daz-1-2000/uid-6109) und werden immer noch verwendet. Tamiflu, die Substanz mit dem Wirkstoff Oseltamivir, wurde aggressiv beworben als extrem wirksam. Die WHO forderte Regierungen auf, angesichts der damals grassierenden Vogelgrippe die Substanz in die öffentlichen Regale zu nehmen. Regierungen kauften sie zu Millionen, ja Milliardenbeträgen. Veröffentlichte Studien belegten die Wirksamkeit.

Die Cochrane-Collaboration Arbeitsgruppe wollte eine Meta-Analyse durchführen und forderte von Roche und anderen Herstellern die Überlassung aller Zulassungsstudien, auch der negativen, was ihnen abgeschlagen wurde. Erst ein langwieriger juristischer Prozess, angestoßen von Peter Gøztsche und seiner Arbeitsgruppe, der die EMA am Ende zwang, die Unterlagen herauszurücken, führte dazu, dass eine Meta-Analyse erstellt werden konnte, die auch die negativen Daten enthielt, also Studien, die keine Wirksamkeit belegen konnten12. – Diese waren zwar vom Hersteller an die Zulassungsbehörde gegeben worden, wie es rechtlich erforderlich ist. Sie waren aber meist nicht in der wissenschaftlichen Literatur publiziert, wie es sich eigentlich gehören würde. Denn die Daten der Zulassungsstudien sind immer noch Eigentum der Hersteller, die sie dann publizieren, wenn es ihnen in den Kram passt und dann eben nicht publizieren, wenn sie sich damit selber schädigen würden. Das ist ja auch nachvollziehbar. Aber im öffentlichen Interesse wäre es, wenn die Zulassungsbehörden immer alle Unterlagen publik machen würden. Das ist eben in diesem Falle geschehen und ab jetzt kann auch jeder bei der EMA alle Unterlagen anfordern.

Diese Meta-Analyse belegt nun eine nur geringgradige Wirksamkeit: Während eine normale Grippe nach 7 Tagen, im Durchschnitt besser wird, führt Tamiflu dazu, dass sie nach 6.3 Tagen besser wird.13 Prophylaktische Effekte, deretwegen Regierungen zum Hamsterkauf von Tamiflu aufgefordert worden waren, sind bei Kindern gar nicht und bei Erwachsenen nur bei manchen Substanzen und in geringem Grad erkennbar. Nebenwirkungen hingegen sind deutlich: Wenn 30 Leute damit behandelt werden, hat ein Patient Nebenwirkungen wie Übelkeit oder Schwindel und in seltenen Fällen treten auch neurologische und psychiatrische Nebenwirkungen auf.

Dann schon lieber Grippe, würde ich sagen.

Ein zweites Beispiel: Wenn die Grippesaison naht, prangt in jeder Apotheke prominent die Werbung für irgendwas mit Aspirin.

Das leuchtet ein. – Denn Aspirin ist ja u.a. ein Entzündungshemmer, lange schon zugelassen und wirksam. Sucht man in der medizinischen Literaturdatenbank Pubmed mit den sog. „medical subject heading“ terms, also offiziellen Schlagwörtern, „influenza“, „aspirin/pharmacology” und “randomized controlled trial, RCT, oder placebo” in Titel und Abstract aller publizierter Studien, will also wissen, welche Informationen es zur Wirksamkeit von Aspirin bei Grippe gibt, dann findet man genau eine Studie, in Zahlen: 1 (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed?term=(((((randomized%20controlled%20trial%5BTitle%2FAbstract%5D)%20OR%20RCT%5BTitle%2FAbstract%5D)%20OR%20placebo%20controlled%5BTitle%2FAbstract%5D))%20AND%20%22influenza%20a%20virus%22%5BMeSH%20Major%20Topic%5D)%20AND%20%22aspirin%2Fpharmacology%22%5BMeSH%20Major%20Topic%5D).

Das ist eine kleine Studie aus dem Jahr 1994, die bei 65 alten Menschen, die gegen Grippe geimpft wurden zusätzlich Aspirin verwendet haben, um zu sehen, ob sich die Reaktion auf die Impfung verbessert. – Tut sie nicht.

Dies sind jetzt zugegeben zwei unfreundliche, aber durchaus nicht unrepräsentative Beispiele. Wir wissen in der Regel viel über die Wirksamkeit von Substanzen auf dem Markt. Wären sie nicht in einem relativ engen Sinne wirksam, wären sie nicht zugelassen. Aber diese Wirksamkeit heißt noch lange nicht klinische Effektivität. Da diese sehr selten formell und sorgfältig untersucht ist, weil es gar nicht im Interesse der Hersteller liegt werden Substanzen oft lange angewandt und über ihren eigentlichen Bereich hinaus, bevor Probleme sichtbar werden.

Preise und Bezahlung

Man kann sich vorstellen: Diese ganze Zulassungsprozedur ist nicht ganz billig. Für moderne Krebsmedikamente werden die Entwicklungskosten auf ca. 650 Millionen USD pro Medikament geschätzt.

Im Durchschnitt nehmen die Firmen damit 6.5 Milliarden USD pro Medikament ein.14

Das sind aber nur die Erfolgsgeschichten: Auf anderen Sektoren sind Firmen oft nicht erfolgreich. So wurden etwas mehr als 84 unterschiedliche Substanzen durch verschiedene Testverfahren gebracht, die man bei Alzheimer Demenz verwenden wollte. Davon haben es nur 4 auf den Markt geschafft 15. Das heißt: die Kosten für erfolglose Entwicklungen müssen bei den erfolgreichen eingepreist werden; und das passiert auch. Der Endverbraucher, also Privatpersonen und Krankenkassen, bezahlen die Entwicklung, den komplexen Zulassungsprozess und die dafür nötigen Studien, sowie die von den Investoren erwarteten, teilweise zweistelligen oder hohe einstellige prozentualen Zuwachsraten der Arzneimittelhersteller 1.

Wir fassen zusammen:

Der moderne Zulassungsprozess für neu entwickelte Arzneien geht von unten nach oben und gleicht einem umgekehrten Trichter: In den Trichter wird viel Energie, Forschung, Ideen, erste Studien eingebracht.

Am Ende kommen nur wenig vermarktbare Substanzen heraus, die eine Zulassung schaffen.

Von denen, die die Zulassung schaffen ist zunächst nur bekannt: Sie sind wirksam in einem eng definierten Sinn. Entweder (und eher selten) sind sie besser als Placebo. Oder sie sind mindestens nicht schlechter als bereits bekannte und auf dem Markt befindliche Substanzen. Und von diesen altbekannten Substanzen nimmt man einfach an – oder weiß es aus früheren Untersuchungen – dass sie besser sind als Placebo.

Bei Cytostatika, also Krebsmedikamenten z.B. werden placebo-kontrollierte Studien sehr selten durchgeführt, weil man immer davon ausgeht, dass die alten Cytostatika wirksam sind.

Diese Wirksamkeit im Sinne der Zulassung heißt aber noch nicht klinische Nützlichkeit. Es kann sein, dass eine Substanz wirksam ist, aber die Effekte so klein sind, dass sie, im Vergleich zu Kosten und Nebenwirkungen eigentlich unbrauchbar ist.

Das dürfte bei den meisten Antidementiva, also Arzneien zur Behandlung der Alzheimer-Demenz, der Fall sein 16.

Oder es kann sein, dass eine Substanz sehr wirksam ist, aber die Nebenwirkungen so drastisch, dass man sich die Anwendung überlegen muss.

All diese Punkte gehen in das Kalkül der Hersteller ein, die die Preise gestalten und darin meistens komplett frei sind. Zumindest bis jetzt.

Das soll sich allmählich ändern.

Aber noch immer ist der Markt eine Bonanza für Hersteller. Auch wenn die Kosten für die Zulassung hoch sind: Einmal zugelassene Substanzen spielen oft das 10-fache oder mehr dessen ein, was für die Entwicklung aufgewendet wurde.

Die Zulassung von Homöopathika und anderen naturheilkundlichen Substanzen in Deutschland

Mit Homöopathika und anderen naturheilkundlichen Substanzen aus dem Bereich der Phytotherapie, der Anthroposophie oder anderer traditioneller Heilverfahren ist die Situation anders, eigentlich komplett anders herum; darauf hatten wir vor Zeiten schon hingewiesen 17.

Hier haben wir meistens eine bereits lange vorhandene Tradition von Arzneimitteln, die im Falle der Homöopathie fast per definitionem sicher sind.

Denn, wie bereits in anderen Blog-Beiträgen (z.B. https://www.homöopathie-forschung.info/populaere-irrtuemer_1/) erläutert: Homöopathische Arzneien werden zumindest so stark verdünnt, dass bei giftigen Ausgangssubstanzen keine Gefahr mehr besteht und meistens sowieso so stark, dass keine oder fast keine Ausgangsmoleküle mehr in der Arznei sind. Daher muss hier in den seltensten Fällen Sicherheit nachgewiesen werden.

Das Screenen, also das Untersuchen, bei welcher Krankheit eine Substanz hilfreich sein kann, entfällt auch, weil dieser Prozess durch die Erfahrung bereits vorgenommen wurde, also durch die Jahrhunderte des Gebrauchs, der Bewährung und des Versuchs und Irrtums. Auch die mögliche Indikation und die Anwendung wurden durch die Tradition bereits nahegelegt.

Homöopathische Einzelarzneien

Der Gesetzgeber hat nun klar erkannt, dass diese Situation genau umgekehrt zu derjenigen ist, die wir bei modernen Arzneien vorfinden und daher auch ein anderes Zulassungsverfahren eingeführt. Er hat im Falle der Homöopathie ein Homöopathisches Arzneibuch eingeführt, eine Herstellungsrichtlinie für Homöopathika, an die sich Hersteller halten müssen. Dazu gehört etwa die spektralanalytische Untersuchung von Ausgangsstoffen, so dass gewährleistet ist, dass die Ausgangssubstanz tatsächlich die ist, die behauptet wird und frei von Verunreinigungen. Dazu gehört aber auch ein geregelter und sauberer Herstellungsprozess.

Damit sind also Phase I und II des konventionellen Verfahrens überflüssig – nicht ganz. Denn Phase II im konventionellen Prozess entspricht die homöopathische Arzneimittelprüfung (https://www.homöopathie-forschung.info/populaere-irrtuemer_4/). Die Arzneien werden am Gesunden geprüft. Im Grunde ist Hahnemann sogar der Erfinder der Phase II-Prüfung, denn er war der erste, der Arzneisubstanzen systematisch am Menschen geprüft hat. Diese Arzneimittelprüfungen ergeben, so haben wir gesehen, das Arzneimittelbild der Homöopathie. Dieses ist aber, anders als in der konventionellen Medizin, keine Diagnose, sondern eine Sammlung von Symptomen, die die Anwendung der Arznei anzeigen (https://www.homöopathie-forschung.info/populaere-irrtuemer_3/). Die Phase III, also der Nachweis der Wirksamkeit gegenüber Standard oder Placebo, schenkt der Gesetzgeber den homöopathischen Herstellern und Arzneien. Warum? Eben weil es eine Erfahrungsmedizin ist, die sicher ist (Phase I und II) und sich aus der traditionellen Nutzung ergibt.

Solche traditionelle Nutzungen haben auch viele konventionelle Arzneien – wie etwa Aspirin – für sich reklamiert, ohne dass sie die Zulassung nochmals neu erringen mussten.

Die Arzneimittelkommission D beim BfArM hat über viele Jahre die homöopathische Arzneimittellehre gesichtet und für die einzelnen Arzneien die wichtigsten bewährten Indikationen und Symptome in sog. „Monographien“ zusammengetragen. Man kann diese als herstellerischen und zulassungstechnischen Minimalkonsens über die Wirkung homöopathischer Arzneien sehen. Diese Angaben stammen aus der publizierten homöopathischen Literatur, aus Arzneimittelprüfungen und Einzelfällen. Dabei sollte man nicht vergessen: Die homöopathischen wissenschaftlichen Zeitschriften sowohl in Deutschland als auch in England und den USA gehören zu den ältesten wissenschaftlichen medizinischen Zeitschriften überhaupt und enthalten sehr viel Erkenntnismaterial in Form von solchen Arzneimittelprüfungen und Fallbeschreibungen.

Aus diesem Grund müssen homöopathische Einzelarzneien auch nur registriert werden: d.h. für sie ist nachgewiesen, dass sie sicher sind, dass sie so hergestellt wurden, wie das Gesetz es verlangt, dass sie nicht verunreinigt sind und also im Sinne der homöopathischen Therapie verwendet werden können. Mehr nicht.

Wir wissen also nicht: Soll man es bei Schnupfen, Kreuzweh oder kaputten Zehennägeln verwenden? Denn eine Indikation ist damit nicht verbunden.

Daher kann man auch nicht so einfach eine Phase III Prüfung verlangen und durchführen. Denn homöopathische Arzneien werden nicht für Indikationen und Krankheiten, sondern für kranke Menschen mit einem bestimmten Symptomenbild verwendet. Wollte man das verlangen, so wäre für jede der potenziell über 1.500 Arzneien eine Vielzahl von Studien nötig für jede der potenziellen Indikationen. Das ist klarerweise eine Forderung, die unsinnig ist. Zum einen deswegen, weil Homöopathie wie gesagt so gar nicht verwendet wurd. Nicht zuletzt aber auch deswegen, weil es niemand gibt, der das bezahlen kann. Denn der Umsatz der homöopathischen Hersteller ist allenfalls zwei Prozent des gesamten Marktes und in keiner Weise zu vergleichen mit dem der großen Arzneimittelhersteller, und die öffentliche Hand hat für derlei Späße kein Geld. Der Umsatz an homöopathischen Arzneien lag 2018 bei 670 Mio Euro und betrug damit 1.7% des Gesamtumsatzes von knapp 39 Milliarden Euro, die die gesetzlichen Krankenkassen 2018 für Arzneimittel ausgegeben haben. Daher ist die oft verlautete und wenig durchdachte Forderung nach der „Gleichbehandlung“ der Homöopathie mit konventionellen Pharmaka ein verkapptes Totschlagargument. Denn die, die es lauthals vertreten, wissen genau, dass es den Tod der Homöopathie einläuten würde, und zwar nicht deshalb, weil Studien negativ ausfallen würden – das tun sie nicht, wie wir noch sehen werden – sondern weil dies keiner bezahlen kann. Ausserdem ist die Forderung reine Propaganda. Denn sie ist zu großen Teilen schon Praxis, wie wir jetzt sehen werden.

Bewährte Indikationen

Nun gibt es aber sog. „bewährte Indikationen“, also Krankheitsbilder, bei denen immer wieder ähnliche Symptome im Vordergrund stehen, die bestimmte homöopathische Arzneien indizieren. Also etwa das hohe Fieber und der rote Kopf bei Belladonna, oder die Schmerzen in Sehnen und Bändern bei Zerrungen, die besser werden bei leichter Bewegung, die Rhus toxicodendron anzeigen.

Nun sind viele Hersteller dazu übergegangen Arzneien für Indikationen herzustellen, also eine Salbe bei Zerrungen, oder ein Erkältungsmittel. Bestandteil solcher Arzneien sind dann eben z.B. Belladonna und eine Reihe weiterer Substanzen oder Rhus tox. und Arnica und noch ein paar Arzneien in einer Mischung. Einige solcher Substanzen sind schon lange auf dem Markt. Sie konnten daher über eine einfache Registrierung und einen Beleg über die Anwendung dieser Arzneien bei solchen Erkrankungen in der Tradition zugelassen werden. Viele der homöopathischen Kombinationsarzneimittel sind traditionell zugelassen und schon sehr lange auf dem Markt.

Sehr oft aber wurden in neuerer Zeit solche Arzneimittel, entweder weil sie neu beantragt wurden oder weil die Behörde das bei Nachzulassungen forderte, auch klassischen Wirksamkeitsstudien im Sinne der oben erwähnten Phase III Studien unterzogen18-23. Manchmal müssen Hersteller Studien nachliefern, um z.B. eine spezielle Dosierung für Kinder erhalten zu können, die an sich in der traditionellen Zulassung dabei war,24,25 oder um eine spezielle Indikation mit einem Medikament beanspruchen zu können26.

Für neu beantragte Präparate mit Indikationsanspruch, also Mischungen von homöopathischen Arzneien, gilt generell, dass der Hersteller über Daten die Wirksamkeit belegen muss. Der Anspruch an diese Daten ist bei Trivialindikationen – Schnupfen, Husten, Heiserkeit z.B. – wenig hoch. Dann genügen aussagekräftige Beobachtungsstudien die argumentieren, dass die Anwendung der Substanz sicher ist und einen Vorteil gegenüber dem bekannten natürlichen Verlauf oder anderen konventionellen oder naturheilkundlichen Anwendungen hat.27

Wollte hingegen ein Hersteller ein Homöopathikum zur Behandlung von, sagen wir, Depression, auf den Markt bringen, so würde das BfArM eine veritable klinische Studie fordern wie für konventionelle Substanzen auch. Meines Wissens hat das aber noch niemand gemacht, weil eine Depressionsbehandlung homöopathisch fast immer nur mit einer individualisierten Behandlung glückt, wenn überhaupt. Für eine solche individualisierte homöopathische Behandlung liegen übrigens sogar einige Studien vor, die wir bei anderer Gelegenheit noch gesondert besprechen28-30. Die entsprechende BfArM-Richtlinie legt fest: Je stärker die beanspruchte Indikation, desto höher die Anforderung an die Daten.

Sicherheit ist in der Regel durch die Herstellung geklärt. Gefahren bestehen praktisch nicht. Die Anwendung ist durch die Tradition gegeben und durch die Monographien festgeschrieben. Und falls Indikationen für ein zugelassenes Arzneimittel beansprucht werden, müssen  Daten vorgelegt werden – zusätzlich zu der Begründung der Kombination aus den Monographien – im Ernstfall auch klinische Phase-3-Studien. Die oben genannten Beispiele sind nur eine zufällige Auswahl. Bei systematischer Suche würde sich eine große Zahl von randomisierten Studien zu Zulassungszwecken von homöopathischen Komplexarzneimitteln finden, die vergleichbar sind mit konventionellen Zulassungsstudien. Daher ist es falsch, wenn immer wieder behauptet wird, homöopathische Arzneien müssten ihre Wirksamkeit nicht belegen. Sie müssen das dann nicht, wenn sie als Einzelarzneien ohne Indikationsanspruch angewandt und ausgegeben werden. Sie müssen das aber sehr wohl, wenn sie mit einem Indikationsanspruch zugelassen werden sollen und haben dies auch getan. Die vom „Arzneitelegramm“ zitierte Aussage des BfArm, dass es keine einzige „zum Beleg der Wirksamkeit geeignete Studie“  gibt ist nur für schwere Indikationen richtig (siehe Jahresbericht BfArM 2017/18), nicht aber für einfachere Indikationen.

Platt gesagt: Je näher die Verwendung einer homöopathischen Arznei an der konventionellen Diagnostik, Denkungsart und Anwendung liegt („Arznei xyz gegen abc-Krankheit“), umso stärker gleicht auch hier der Zulassungprozess der konventionellen Zulassung.

Diese Situation argumentativ verändern zu wollen, würde viele Klimmzüge erfordern. Da bei klassischer Homöopathie gar keine Indikationen maßgeblich sind, jedenfalls nicht in erster Hinsicht: Wie soll eine indikationsbezogenen Zulassung erfolgen? Das kann nur bei bewährten Indikationen geschehen, und dort ist sie bereits gefordert. Da die Sicherheit sozusagen per definitionem gegeben ist: Warum sollten unnütze Tierversuche gemacht werden? Da Phase-II Studien am Menschen per definitionem als Arzneimittelprüfung am Gesunden gemacht wurden: Warum sollen sie nochmals gemacht werden?

Wir sehen: das Geschrei nach Gleichbehandlung ist allenfalls Kampagnenradau oder schlecht informierte Publizistik, entstammt aber nicht sorgfältiger, sachgerechter Überlegung.

Wie aber sieht es nun mit der Wirksamkeit der Homöopathie aus im Sinne von Wirksamkeit gegenüber Placebo und klinischer Effektivität? Darüber geben teilweise unsere Reihe zu klinischen Studien Auskunft. Etwas detaillierter will ich mich aber dann doch noch in der nächsten Folge dazu auslassen.

Referenzen

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Die populärsten Irrtümer über die Homöopathie

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– und die konventionelle Medizin

Zusammenfassung und Abschluß: Der Status der Homöopathie und die derzeitige Kampagne

Harald Walach

In dieser Serie haben wir die wichtigsten Irrtümer über die Homöopathie und am Rande auch einige über die konventionelle Medizin aufgeklärt. Damit kommt diese kleine Reihe vorläufig zum Abschluß.

Homöopathie verwendet ein altes und bewährtes Therapiekonzept. Das Ähnlichkeitsprinzip ist ein therapeutisches Prinzip, das auch in der konventionellen Medizin angewandt wird. Die Homöopathie hat eine Methode gefunden, es nutzbar zu machen, nämlich durch die Arzneimittelprüfung am Gesunden. Diese hilft dabei, die Arzneimittelbilder zu erzeugen. Das Potenzierungsprinzip ermöglicht es, auch giftige oder chemisch träge Stoffe durch eine Art der Erschließung nutzbar zu machen, die wir noch nicht verstanden haben. Dass höhere Potenzen bei guter Passung der Arzneimittelbilder besonders gut zu wirken scheinen ist ein Paradox, das die Homöopathie rein empirisch entdeckt hat und für das wir keine Erklärung haben. Aber das macht die Homöopathie nicht zu einer Absurdität, wie die Kritiker meinen, sondern zu einer wissenschaftlichen Anomalie. Die Konsequenz sollte sein: jetzt erst recht versuchen zu verstehen, was da passiert. Für die Praxis heisst das: Homöopathie erzeugt offenbar gerade mit den hohen Potenzen Effekte. Das belegen nicht nur klinische, sondern auch Grundlagenforschungsstudien. Dass hier die Datenlage zwar nicht eindeutig, aber doch deutlich positiv ist, zeigen eine ganze Reihe von Meta-Analysen und Überblicksarbeiten. Natürlich, man kann sie alle ignorieren und, wie manche, nur 5% der Daten zur Bewertung heranziehen und dann zur oft gehörten, aber deswegen nicht weniger falschen Ansicht kommen, es gäbe keine wissenschaftlichen Belege. Diese Aussage ist nachweisbar falsch. Ihre Wiederholung hat nichts mit Aufklärung zu tun, sondern ist reine Propaganda über deren Motivation wir anschließend noch ein bisschen spekulieren wollen. Dass die Datenlage zu Homöopathie zwar positiv, aber nicht eindeutig ist, hat sie mit der konventionellen Medizin gemeinsam. Legt man auch bei der konventionellen Medizin strenge Massstäbe an, so ist nur der geringste Teil aller standardmäßigen Anwendungen wirklich gut belegt, und sehr beliebte Massnahmen sind weniger gut untersucht, als man das gerne hätte. Fast die gesamte Chirurgie beruht, ähnlich wie die Homöopathie, auf Empirie, auf Erfahrungswissen. Viele kardiologische Interventionen, z.B., sind noch nie in einer verblindeten randomisierten Studie evaluiert worden [1]. Im Fall der Chirurgie kommt unterstützend hinzu, dass wir dort auch noch ein paar mechanistische Argumente haben. Aber diese sind, wie so manche Studie gezeigt hat, nicht immer richtig [2]. Sollte man daher die ganze Chirurgie zum Fenster hinauswerfen? Ich glaube, es ist nützlich, wenn man, wie jeder klinische Praktiker das tut [3], unterschiedliche Typen von Daten heranzieht, um sich ein Bild über ein Fachgebiet zu machen. Klinische Studien gehören sicher dazu, aber auch andere Informationen, z.B. unmittelbare Erfahrungen, langfristige Beobachtungsstudien, Fallsammlungen und Fallbeschreibungen von Heilungen bei Einzelfällen mit schlechter Prognose [z.B. 4]. Gerade solche Fälle füllen die homöopathische Materia Medica seit es Homöopathie gibt und sie haben u.a. zur Verbreitung der Homöopathie beigetragen. Natürlich könnte man da sagen: alles Placebo-Effekte. Möglicherweise ist die Homöopathie ja wirkliche eine extrem kluge Art und Weise, Selbstheilungseffekte hervorzurufen. Das wäre es nämlich, was man unter dem Begriff „Placebo-Effekt“ verstehen müsste: Effekte der Selbstheilung [5]. Und vielleicht würde eine sorgfältige Untersuchung der Homöopathie ja dazu beitragen, diese besser zu verstehen und nutzbar machen zu können.

Die empirische Befundlage zur Homöopathie ist also nicht sehr viel anders als die in der konventionellen Medizin; darauf haben verschiedene Autoren immer wieder hingewiesen [6]. Der Unterschied besteht darin, dass wir für die konventionelle Medizin ein akzeptiertes theoretisches Narrativ haben: das Maschinenmodell vom menschlichen Organismus, das vermeintlich so manches erklärt. Dass dies sehr häufig auf Abstraktionen und auch falschen Konstruktionen beruht, steht auf einem anderen Blatt, das wir jetzt nicht umdrehen wollen. Im Gegensatz dazu haben wir zur Homöopathie kein brauchbares theoretisches Narrativ, das erklären könnte, wie Homöopathie wirkt. Alles was es gibt sind Spekulationen. Das ist wichtig zu wissen und anzuerkennen. Das bedeutet aber nicht, dass Homöopathie deswegen stümperhaft ist und nicht funktioniert. Es bedeutet: Wir haben keine Ahnung, wie wir diese emprischen Befunde und die klinischen Erfolge der Homöopathie verstehen können und in den Gesamtbestand des wissenschaftlichen Wissens einordnen sollen. Da würden auch ehrliche Homöopathiebefürworter und ich selber allen Kritikern zustimmen. Ein etwas gesteltzer Begriff für diesen Sachverhalt ist: die Homöopathie ist eine wissenschaftliche Anomalie. Wissenschaftliche Anomalien sollten, das zeigt die wissenschaftshistorische und wissenschaftstheoretische Diskussion und der gesunde Menschenverstand, untersucht und ernstgenommen werden, nicht ausgegrenzt. Ich persönlich bin der Meinung, dass dies komplexer ist, als viele denken, weil aus meiner Sicht die empirische Signatur der Homöopathie darauf hinweist, dass wir es mit einer Klasse von Phänomenen zu tun haben, die sich nicht ins gängige Schema der klassischen Effekte von Ursache-Wirkung einordnen lassen.

Wolfgang Pauli, einer der Begründer der Quantenmechanik, und Carl Gustav Jung, einer der Gründerväter der Tiefenpsychologie, haben in ihrem Dialog eine neue Klasse von Phänomenen regelhafter, aber nicht-kausaler Beziehung gefordert, die sie mit dem etwas unglücklichen Namen „Synchronizität“ belegt haben [7]. Damit meinten sie regelhafte Beziehungen, die nicht durch Ursache-Wirkung zustande kommen, sondern durch Sinnentsprechung und die zwar regelhaft, aber nicht kausal vermittelt sind, also durch Austausch von Energie und Signalübertragung. Sie haben damit aus meiner Sicht einen weitsichtigen Schritt getan, der noch wenig verstanden ist. Möglicherweise gibt es ja eine solche Art der regelhaften Bezogenheit, die dennoch nicht klassisch-kausaler Natur ist. Homöopathie wäre dann möglicherweise, neben anderen Phänomenen, ein Beispiel dafür.

Daraus die Unwissenschaftlichkeit der Homöopathie konstruieren zu wollen, wie das die Homöopathiekritik tut, ist wissenschaftshistorisch schlecht informiert und sachlich falsch. Daraus lässt sich allenfalls konstruieren, dass die Homöopathie mit den gängigen Modellen von wissenschaftlicher Regelhaftigkeit nur schwer verstehbar ist. Das würde, glaube ich, nur schwer bestreitbar sein. Aber das heisst noch lange nicht, dass Homöopathie unwissenschaftlich ist. Eine Definition von Wissenschaftlichkeit, so haben wir gesehen, aus dem Horizont dessen heraus, was wir derzeit wissen, war schon immer die Methode der ewig Gestrigen, die sich jedem Fortschritt und jeder Neuerung verschlossen haben. Das klassische Argument einer solchen Haltung ist: Es ist unmöglich, weil … [setzen Sie alle möglichen derzeitigen Wissensbestände ein]. Und der Beweis, dass es doch möglich ist, hat noch in beinahe jedem Fall unser Wissen und unsere Handlungsmöglichkeit bereichert. Eisenbahnen sind möglich geworden und haben uns nicht geschadet. Flugzeuge sind möglich geworden, staubsaugende und rasenmähende Roboter und weiss der Geier was sonst noch alles, von dem man zuvor sagte, es sei unmöglich.

Damit sind wir auch bei des Pudels Kern angelangt:

Die Homöopathie ist in zweierlei Hinsicht ein Stein des Anstoßes und darum wird sie so heftig bekämpft. Zum einen widersteht sie der Analyse des mechanistisch-materialistischen Mainstream-Paradigmas und ist daher ein theoretisches Ärgernis, das bekämpft werden muss. Zum anderen ist Homöopathie pragmatisch-klinische erfolgreich und würde, wenn breiter verwendet und allgemein akzeptiert, so manche derzeit gängige Methode der Therapie wenn nicht überflüssig machen, so doch deutlich in ihrer Beliebtheit einschränken. Das ist ein Wirtschaftsfaktor, der den meisten im Gesundheitswesen tätigen Akteuren nicht angenehm ist. Denn alle Akteure verdienen damit, dass sich nichts ändert.

Es gibt derzeit eine extrem aggressive Kampagne gegen die Homöopathie, die ich seit mindestens 2006 beobachte. Sie ging los, als sich in der wissenschaftlichen Literatur die Erkenntnis durchzusetzen begann, dass manche vielversprechenden pharmakologischen Mainstreaminterventionen weniger wirksam sind, als man dachte und verschiedene Hoffnungsträger der pharmakologischen Industrie sich als nicht tragfähig erwiesen, wie etwa eine ganze Palette von Antidementiva [8]. Sie dürfte damit vergesellschaftet sein, dass wirtschaftliche Vorhersagen der Homöopathie eine drastische Nachfragesteierung prophezeit haben [s. Beitrag zu dem EASAC-Statement]. Aber vielleicht ist ja die theoretisch-ideologische Motivation sogar nocht stärker: Die Homöopathie fordert das herrschende Mainstream-Paradigma heraus, das implizit behauptet ein materialistisches Weltbild würde ausreichen, um uns Menschen, unser Leben, unser Handeln, unser Bewusstsein zu erklären, wie es der momentane implizite Konsens von Wissenschaftsakteuren, Wissenschaftsjournalisten und einer materialistisch-ökonomisch getriebenen Zeitströmung zu sein scheint. Dass diese Haltung alles andere als bewiesen ist und nichts anderes als eine ideologische Vermutung, steht auf einem anderen Blatt (vgl. https://www.galileocommission.org/). Denn im Rahmen dieses Paradigmas lässt sich Homöopathie nicht verorten, und die liebedienernden Versuche von Seiten der Homöopathie, dies zu tun, halte ich persönlich für die größte Schnapsidee innerhalb der Homöopathieforschung. Die Homöopathie ist ein Stein des Anstoßes, der unser scheinbar so klares und eindeutiges Bild der Wirklichkeit verunstaltet, weil sie nicht hineinpasst. Darum wird sie so aggressiv bekämpft.

Oder kann mir jemand verraten, welches sonst die Motivation sein sollte? Es hat sich noch immer das, was nichts taugt, von selber abgeschafft. Das ist das Prinzip der Evolution, dachte ich, oder? Warum also Zeit, Energie, Druckerschwärze, Speicherkapazität auf etwas verwenden, das sowieso nichts als Blödsinn ist? Kommt etwa jemand auf die Idee, eine Kampagne gegen Spielautomaten, oder noch besser, gegen Autos und Computerspiele anzuzetteln, obwohl man in diesen Bereichen vermutlich mehr Gefährdungs- und Problempotenzial verorten kann, als bei der Homöopathie? Ich denke, diese Kampagne zeigt, dass die Homöopathie von verschiedenen Aktivisten als potenziell gefährlich eingestuft wird: gefährlich nicht für Menschen, auch nicht für Patienten, sondern gefährlich für die allgemeine Akzeptanz eines materialistisch-naturalistischen Weltbildes, wie es einige selbsternannte Wissenschaftspäpste vertreten, von Daniel Dennett über Sam Harris und Steven Pinker [9] und viele andere, die sich in der Bewegung der „Brights“ zusammengetan haben (http://www.the-brights.net/). Und gefährlich auch für den momentanen Konsens dessen, was Krankheit und Heilung ist. Aber wenn man in die Geschichte der Wissenschaft blickt, dann war das vermeintliche Wissen immer schon der größte Feind der wirklichen Erkenntnis. In diesem Sinne ist das vermeintliche Wissen über die Homöopathie, das die Homöopathiekritik zu verbreiten versucht reaktionär: es versucht eigentliche Erkenntnis zu verhindern, auch wenn die Homöopathiekritiker selber das vermutlich gar nicht verstehen, weil sie ohne historischen und wissenschaftstheoretischen Horizont agieren.

Die populärsten Irrtümer über die Homöopathie und die konventionelle Medizin

–          Irrtum Nr. 1  – Therapieprinzip unbewiesen

–          Irrtum Nr. 2  – Unwissenschaftlich

–          Irrtum Nr. 3  – Fehlende Diagnostik

–          Irrtum Nr. 4  – Ungeprüfte Medikamente

–          Irrtum Nr. 5  – Teurer Zucker

–          Irrtum Nr. 6  – Widerwärtige Arzneimittel

–          Irrtum Nr. 7  – Gefährlich

–          Irrtum Nr. 8  – Potenzierung – alles Hokuspokus

–          Irrtum Nr. 9  – Unmöglich

–          Irrtum Nr. 10 – Nichts drin

–          Irrtum Nr. 11 – Veraltete Theorie

Referenzen

[1] Tricocci, P., Allen, J. M., Kramer, J. M., Califf, R. M., & Smith Jr, S. C. (2009). Scientific evidence underlying the ACC/AHA clinical practice guidelines. Journal of the American Medical Association, 301, 831-841.

[2] Moseley, J. B., O’Malley, K., Petersen, N. J., Menke, T. J., Brody, B. A., Kuykendall, D. H., et al. (2002). A controlled trial of arthroscopic surgery for osteoarthritis of the knee. New England Journal of Medicine, 347, 81-88.

[3] Gabbay, J., & le May, A. (2004). Evidence based guidelines or collectively constructed „mindlines“? Ethnographic study of knowledge management in primary care. British Medical Journal, 329, 1013-1017.

[4] Mahesh, S., Mallappa, M., & Vithoulkas, G. (2017). Embryonal carcinoma with immature teratoma: A homeopathic case report. Complementary Medicine Research, online first(DOI: 10.1159/000481819). https://www.karger.com/Article/Abstract/481819

Nwabudike, L. C. (2018). Case reports of acne and homeopathy. Complementary Medicine Research, 25, 52-55. https://www.karger.com/Article/Abstract/486309

Teut, M., & Dippler, C. (Eds.). (2017). Homöopathie bei Demenz: Eine Fallsammlung. Pohlheim: Ahlbrecht.

[5] Walach, H. (2015). Reconstructing the meaning effect – The capacity to self-heal emerges from the placebo concept. Tidsskrift for Forskning i Sygdom og Samfund, 23, 111-139. https://www.galileocommission.org/wp-content/uploads/2018/06/Walach_Placebo-Effect_Tijdskrit-for-Forsning_2015.pdf

Walach, H. (2018). Heilung kommt von innen: Selbstverantwortung für die eigene Gesundheit übernehmen. München: Knaur Verlag.

Walach, H., & Breitkreutz, F. (2018). Placebo und Placeboeffekte. In H. Walach, S. Michael & S. Schlett (Eds.), Das große Komplementärhandbuch für Apotheker und Ärzte (pp. 356-374). Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.

[6] Milgrom, L. R. (2012). Homeopathy UK: The sick man of Europe? Forschende Komplementärmedizin, 19, 120-122. https://www.karger.com/Article/Abstract/339950

[7] Meier, C. A. (Ed.). (1992). Wolfgang Pauli und C.G. Jung. Ein Briefwechsel 1932-1958. Heidelberg: Springer.

Walach, H. (1998). Der Komplementaritätsgedanke in der Interaktion zwischen Psychologie und Physik. In J. Jahnke, J. Fahrenberg, R. Stegie & E. Bauer (Eds.), Psychologiegeschichte – Beziehungen zu Philosophie und Grenzgebieten (pp. 85-108). München: Profil.

Walach, H. (2000). Magic of signs: a non-local interpretation of homeopathy. British Homeopathic Journal, 89, 127-140. https://www.researchgate.net/publication/12380520_Magic_of_signs_A_non-local_interpretation_of_homeopathy

[8] Turner, E. H., Matthews, A. M., Linardatos, E., Tell, R. A., & Rosenthal, R. (2008). Selective publication of antidepressant trials and its influence on apparent efficacy. New England Journal of Medicine, 358, 252-260.

Kirsch, I., Deacon, B. J., Huedo-Medina, T. B., Scoboria, A., Moore, T. J., & Johnson, B. T. (2008). Initial severity and antidepressant benefits: A meta-analysis of data submitted to the food and drug administration. PLoS Medicine, 5(2), e45.

NICE. (2006). Dementia: Supporting people with dementia and their carers in health and social care. London: National Institute for Clinical Excellence.

NICE. (2009). Donepezil, galantamine, rivastigmine (review) and memantine for the treatment of Alzheimer’s disease (amenden). London: National Institute for Clinical Excellence.

Walach, H. (2009). The campaign against CAM and the notion of „evidence-based“. Journal of Alternative & Complementary Medicine, 10, 1139-1142. https://www.liebertpub.com/doi/abs/10.1089/acm.2009.0423

[9] Walach, H. (2019, im Druck). Schöne neue Welt? Ein Essay über Steven Pinker (2018) Enlightenment Now. Aufklärung und Kritik, im Druck(2), 181-193. http://www.gkpn.de/aufklaerung_und_kritik.htm

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Die populärsten Irrtümer

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– über die Homöopathie und die konventionelle Medizin – Teil 11

Harald Walach

Weil ich in Debatten immer wieder die gleichen falschen Aussagen höre, stelle ich sie hier einmal zusammen mit den entsprechenden Argumenten, Daten und Fakten: Irrtümer, die über die Homöopathie geäussert werden, meistens mit entsprechenden Irrtümern über die Medizin gepaart. Ich hoffe, das entspannt die Debatte, die ich als unnötig polarisiert und wenig konstruktiv wahrnehme. Es geht weiter mit

Irrtum Nr 11 – Veraltete Theorie

Die Homöopathie ist in ihrem theoretischen Modell im 18. Jahrhundert stecken geblieben, die moderne Medizin hingegen hat ein klares wissenschaftliches Modell der Theorie- und Therapieentwicklung

Die Homöopathie ist in der Tat ein Kind des 18. Jahrhunderts, der Aufklärung und des Versuchs, medizinische Praxis auf rationale, d.h. in diesem Falle empirisch beobachtbare Grundlagen zu stellen. Sie ist eine rein empirisch gefundene und weiter entwickelte Methode. Das ist ihre Stärke und Schwäche zugleich. Die Stärke: Sie ist der Erfahrung verpflichtet. Die Schwäche: Sie hat keine wirklich gute Theorie, die ihre Wirkweise verstehen lassen könnte. Dass sie sich seither nicht weiterentwickelt hätte, wie oft zu hören ist, ist hingegen falsch. Die Homöopathie hat die Methode der Entdeckung von Arzneimitteln, die homöopathische Prüfung am Gesunden, verfeinert.1-3 Dabei nehmen Freiwillige homöopathische Substanzen zu sich und beobachten die Veränderungen, die dabei auftreten. Während bei Hahnemann und seinen Schülern diese Versuche noch ohne Verblindung und Kontrollen und oft mit niedrig potenzierten und giftigen Stoffen durchgeführt wurden, werden solche Versuche heutzutage in aller Regel verblindet gemacht – d.h. die Prüfer wissen nicht, was sie zu sich nehmen, oder wenn sie die Substanz kennen, die geprüft wird, wissen sie nicht, ob sie in der Versuchs- oder Kontrollgruppe sind. Es gibt klare Regeln, die sich im Laufe der Praxis gebildet haben, wann man davon ausgeht, dass ein beobachtetes Symptom von einer Prüfssubstanz herrührt und wann nicht: z.B. wenn das Symptom dem Prüfer vorher unbekannt war, also noch nie so etwas erlebt hat und in deutlicher zeitlicher Nähe zur Einnahme stand; wenn es wiederholt bei verschiedenen Prüfern vorkommt; wenn ein lange bereits bestehendes Symptom plötzlich und dauerhaft verschwindet; um nur ein paar wichtige Regeln zu nennen.4,5 Und ausserdem müssen dann diese Symptome in der klinischen Praxis bestätigt werden. Das bedeutet, sie müssen dazu führen, dass das Arzneimittel dann auch im Krankheitsfalle therapeutisch wirkt. Daher ist das Vorgehen zirkulär und hat viel Ähnlichkeit mit der Methode der qualitativen Sozialforschung (wie sie etwa in der „Grounded Theory“ sichtbar wird6): Symptome werden in Arzneimittelprüfungen dokumentiert. Sie werden dann beim Kranken zur Arzneimittelfindung verwendet. Und wenn sie sich bewähren, gehen sie in die sog. Materia Medica, also den Arzneimittelbestand und die Repertorien ein, die Verzeichnisse, mit denen Arzneimittel gefunden werden. Damit hat die Homöopathie ein klares, empirisch-fundiertes methodisches Modell.7 Sie hat in der Tat keine gute Theorie.

Aber auch an anderen Stellen hat sich die Homöopathie weiter entwickelt:

  • Die Höhe der verwendeten Potenzen wurde immer wieder neu diskutiert; letzten Endes haben sich heute überwiegend deutlich höhere Potenzen durchgesetzt, als die noch von Hahnemann verwendeten.
  • Während Hahnemann gegenüber der Verwendung von so genannten Nosoden noch deutliche Vorbehalte hatte, gehören sie heute zum gut etablierten Standard.

Aber auch die Verschreibungstechniken insbesondere bei chronischen Erkrankungen haben sich deutlich weiter entwickelt; die gegenwärtige Vielfalt der Ansätze zeigt allerdings auch, dass es offenbar noch ungeklärte Fragen gibt.

Die moderne Medizin orientiert sich an dem theoretischen Modell, das durch Descartes eingeführt wurde und von Virchow kodifiziert wurde8,9. Es betrachtet den Organismus als Maschine und Krankheit als zelluläre, mittlerweile enzymatisch oder genetisch dingfest zu machende Störung dieser Maschine. Daraus leitet sich ab, dass man zuerst versuchen muss, diesen Fehler zu finden und ihn dann zu beheben, etwa, indem man chirurgisch oder pharmakologisch eingreift. Der Organismus wird dabei eher als passiv zu Beeinflussendes gesehen. Dies halte ich für eine nützliche Abstraktion, die aus der Entstehungsgeschichte der modernen westlichen Medizin her gut verstehbar ist und die im Akutfall auch bestens funktioniert. Diese Medizin entstand ja aus der Akutversorgung von Menschen, die im Krieg verletzt wurden, von Infektionskranken und akut Erkrankten, deren Leben bedroht war. In all diesen Fällen ist dieses Denken sehr nützlich, wie uns die großen Erfolge der akuten und Notfallmedizin zeigen.

Allerdings hat sich die Theoriebildung weiterentwickelt. Der menschliche Organismus, so hat sich gezeigt, ist keine passive Maschine, sondern ein höchst aktives System. Die moderne Theorie nicht-linearer und komplexer Systeme, die sich in den letzten 20-30 Jahren in der Biologie allmählich breit macht, hilft dies zu verstehen10,11. Als Resultat dieses Verstehens zeigt sich: Der Organismus reagiert nie passiv auf irgendeine Intervention, sondern immer aktiv. Daher haben alle Reize – das Eindringen immunologischer Fremdkörper, wie Bakterien oder Viren, die Einnahme einer pharmakologischen Substanz – zunächst einmal unmittelbare Erst-Wirkungen. Sie haben aber auch mittelbare Zweit-Wirkungen. Das ist das, was der Organismus daraus macht: Die Entzündung, die er in die Wege leitet, um mit dem immunologischen Fremdkörper fertig zu werden, oder die Gegenregulation auf den pharmakologischen Reiz. Diese komplexe Systemdynamik lässt sich mit Hilfe der einfachen Maschinenmodelle, die immer noch in den Köpfen der Meisten herumspuken, nicht mehr adäquat theoretisch begreifen12. Zugespitzt formuliert: Die moderne Medizin folgt immer noch einem theoretischen Paradigma, das im 16. Jahrhundert gegründet wurde, im 19. Jahrhundert verfeinert wurde und im wesentlichen die modernen Entwicklungen der Theoriebildungen ignoriert. Das geht gut, solange man sich nur um akute Probleme zu kümmern hat. Das funktioniert weniger gut bei allen anderen Problemen. Und das sind etwa 70-80% aller Probleme, deretwegen Menschen heute Ärzte aufsuchen.

In diesem Sinne ist vielleicht die Homöopathie sogar die implizt fortschrittlichere Methode. Denn sie gibt gar nicht erst vor in einen maschinellen Vorgang einzugreifen, den es so ohnehin nicht gibt, der nur eine Abstraktion auf einer bestimmten Handlungsebene ist. Folgt man den modernsten Theoriebildungen, dann ist die Homöopathie eher als eine Regulationstherapie einzustufen, die den Organismus zu therapeutischer Selbstregulation anregt13. Denn sie greift auf keinen Fall molekular ins physiologische Geschehen ein. Das, was ihr viele Kritiker zum Vorwurf machen, ist am Ende sogar ihr großes Plus?

Literatur

  1. Shah R. HIV Nosode: The Homeopathic Pathogenetic Trial. Forschende Komplementärmedizin / Research in Complementary Medicine 2015; 22(3): 156-62.
  2. Endler PC, Schulte J, Stock-Schöer B. Ultra High Dilutions Revisted After 21 Years. Homeopathy 2015; 194(4 Special Issue): 221-342.
  3. Walach H, Teut M. Scientific provings of ultra high dilutions in humans. Homeopathy 2015; 104: 322-7.
  4. Bayr G, Stübler M. Haplopappus baylahuen. Eine Prüfung mit den Potenzen D2, D3, D6 und D12. Heidelberg: Haug; 1986.
  5. Riley DS. Homöopathische Arzneimittelprüfungen in der Antihomotoxischen Medizin. Biologische Medizin 1998; 27: 23-8.
  6. Glaser BG, Strauss AL. Grounded Theory. Strategien qualitativer Forschung. Bern: Huber; 1998.
  7. Walach H, Schüppel R. Homöopathieforschung – Eine Taxonomie. Forschende Komplementärmedizin 1997; 4: 344-7.
  8. Uexküll Tv, Wesiack W. Theorie der Humanmedizin. Grundlagen ärztlichen Denkens und Handelns [Theory of Medicine. Foundations of Medical Thinking and Action]. München: Urban & Schwarzenberg; 1988.
  9. Meyer-Abich KM. Was es bedeutet, gesund zu sein. Philosophie der Medizin. München: Hanser; 2010.
  10. Capra F, Luisi PL. The Systems View of Life. A Unifying Vision. Cambridge: Cambridge University Press; 2014.
  11. Hyland ME. The Origins of Health and Disease. Cambridge: Cambridge University Press; 2011.
  12. Schlage WK, Westra JW, Gebel S, et al. A computable cellular stress network model for non-diseased pulmonary and cardiovascular tissue. BMC Systems Biology 2011; 5(1): 1-15.
  13. Walach H. Homöopathie als Basistherapie. Plädoyer für die wissenschaftliche Ernsthaftigkeit der Homöopathie. Heidelberg: Haug; 1986.

 

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Die populärsten Irrtümer

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– über die Homöopathie und die konventionelle Medizin – Teil 10

Weil ich in Debatten immer wieder die gleichen falschen Aussagen höre, stelle ich sie hier einmal zusammen mit den entsprechenden Argumenten, Daten und Fakten: Irrtümer, die über die Homöopathie geäußert werden, meistens mit entsprechenden Irrtümern über die Medizin gepaart. Ich hoffe, das entspannt die Debatte, die ich als unnötig polarisiert und wenig konstruktiv wahrnehme. Es geht weiter mit

Irrtum Nr. 10 –  „Nichts drin“

Curt Kösters

Dr. Norbert Aust von der Initiative „Netzwerk Homöopathie“:

Er betont, dass es sich bei Homöopathie um „Pseudomedizin“ handelt – und er bezweifelt, dass stark verdünnte Stoffe wirken können, wenn sie sich nicht mehr nachweisen lassen. „Es ist deshalb unmöglich, weil ein Wirkstoff, der nicht vorhanden ist, nicht wirken kann.“ [1]

Nun ist „unmöglich“ in der Naturwissenschaft immer ein großes Wort (s. Irrtum 9 „unmöglich“ – daran haben sich schon manche die Finger verbrannt. Auch die seinerzeit neu entdeckte Radioaktivität schien ja zunächst mal gegen ein fundamentales Prinzip, den Energieerhaltungssatz, zu verstoßen und wurde entsprechend skeptisch kommentiert.

Dennoch

Weitgehend unstrittig ist ja, dass zumindest in Hochpotenzen keine Substanz mehr enthalten ist (wenn man die Nanopartikel hier mal außen vor lässt).

Und wenn nichts drin ist, kann auch nichts wirken. – Dieses Argument ist hoch plausibel – weit plausibler zum Beispiel, als das Schwingen der Ekel-Keule.

Dieses Argument versteht jeder – und es ist daher nicht überraschend, dass es als zentrales Argument der Anti-Homöopathie-Kampagne Verwendung findet, mit entsprechenden Buttons und anderen Werbe-Acessoires verbreitet und mit öffentlichen Aktionen medienwirksam in Szene gesetzt wird („10:23“ – „Nichts drin – nichts dran“).

Das einzige (wirklich nur klitzekleine) Problem mit diesem Argument ist eigentlich nur, dass diese Hochpotenzen doch eine Wirkung zeigen.

Und wenn sie eine Wirkung zeigen, dann muss „etwas drin“ sein – sei dies nun Substanz oder Energie oder sonst etwas [2].

Die Wirkung, die wir täglich in der Praxis sehen – auch bei schweren Erkrankungen – lässt sich ja noch trefflich weg diskutieren, solange man das nicht selbst gesehen hat [3].

Bei klinischen Studien, insbesondere Doppelblindstudien, wird es da schon schwieriger [4]. Doppelblindstudien wurden ja gerade entwickelt, um Placebo-Effekte von echten Arzneiwirkungen zu unterscheiden. Und die Mehrzahl der Doppelblindstudien in der Homöopathie zeigt einen Effekt. Hier spaltet sich bereits die Skeptiker-Gemeinde bei dem Versuch, diese schwer verdauliche Tatsache hinweg zu erklären [5].

So richtig schwierig wird es aber bei der Grundlagenforschung [4]. Wenn man in einem Labor zeigen kann, dass Hochpotenzen einen Effekt haben der sich von dem Kontrollversuch unterscheidet, dann muss „etwas drin“ sein. Und solche Experimente gibt es mittlerweile in großer Zahl – darunter auch erfolgreich replizierte Modelle.

Da wird es zunehmend schwieriger mit dem wegdiskutieren und der Zeitpunkt, dass das auch in der wissenschaftlichen Community akzeptiert wird, ist einigermaßen absehbar (eher Jahre als Jahrzehnte).

Gut erkennbar ist der sich anbahnende Wandel aber auch schon daran, dass das zentrale Sprachrohr der Skeptiker-Gemeinde in Deutschland für die Anti-Homöopathie-Kampagne, das so genannte Informationsnetzwerk Homöopathie, mittlerweile eine Doppelstrategie zum Thema Grundlagenforschung fährt:

Während Norbert Aust einerseits noch in bewährter Manier versucht das Haar in der Suppe der einzelnen Studien zu finden [6], erklärt er andererseits vorsichtshalber schon mal die gesamte Grundlagenforschung zu Hochpotenzen als irrelevant für die Diskussion um die Homöopathie [7].

Das ist auch insofern bemerkenswert, als noch Weymayr in seinem Buch „Die Homöopathie-Lüge“ (2012) zwar gleich die gesamte klinische Forschung zur Homöopathie als irrelevant erklärte, dann aber doch großzügig einräumte, dass ihn relevante Ergebnisse aus der Grundlagen-Forschung überzeugen könnten.

Norbert Aust ist hier deutlich vorausschauender.

Die Irrelevanz der Grundlagenforschung

Die Stellungnahme von Dr. Aust in seinem Blog „Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie“ zeigt einen der wichtigsten Aspekte für die Beurteilung der „homöopathischen Grundlagenforschung“ auf, zu der die high dilution research zweifellos gehört: Den fehlenden Bedeutungszusammenhang solcher Forschungen (und ihrer Ergebnisse) für die Grundfrage der Richtigkeit des homöopathischen Gedankengebäudes und vor allem des Nachweises einer spezifischen Wirksamkeit. [7]

[…]

Das Erforschen extremer Verdünnungen, also über den Punkt hinaus, an dem vom Ursprungsstoff noch etwas vorhanden ist, ist sehr weit weg vom behaupteten Phänomen und der angeblich erheblichen klinischen Wirksamkeit der Homöopathie. Es müsste erst die Brücke aufgebaut werden, dass die Differenzen, die da gefunden worden sind, Bestand haben und irgendeinen Bezug zur Wirkung der Homöopathie hätten. [7]

[Hervorhebung im Original]

Man immunisiert sich schon mal dagegen – dass die Ergebnisse in der Grundlagenforschung mittlerweile doch recht konsistent sind und dass da in der Zukunft noch mehr drohen könnte. – Allerdings entlarvt sich auch das ganze Informationsnetzwerk Homöopathie mit eben diesem Versuch einer Immunisierung als rein ideologisches Unterfangen.

Begründet wird das in der Darstellung des INH mit folgenden Argumenten:

  1. Worin besteht die Heilkraft / das Agens, das beim Patienten wirksam werden soll? Ein identifizierbarer Wirkstoff ist es nicht, denn schon ab recht niedrigen Potenzen ist das Lösungsmittel von der Lösung nicht mehr unterscheidbar.

Stimmt! – Den genauen Wirkungsmechanismus kennen wir noch nicht. Aber replizierbare Modelle schaffen überhaupt erst die Grundlage für dessen Erforschung. Mit replizierbaren Labor-Modellen kann man dann anfangen zu untersuchen, wodurch sich z.B. der Effekt blockieren lässt – und so die Natur des Effektes allmählich eingrenzen. So funktioniert Wissenschaft.

  1. Wie wird der richtige Grundstoff dafür aus dem Einsatzmittel selektiert? Beispiel: In der Homöopathie verwendet man die ganze Biene („Apis mellifica“), die aus tausenden verschiedenen Stoffen besteht. Wie wird der Richtige daraus selektiert?

Was ist das Problem? – Wenn ein bestimmtes Stoffgemisch in einer homöopathischen Arzneimittelprüfung untersucht wurde, und deren Symptome dann wiederum in der klinischen Anwendung verifiziert werden, dann ist dieses Stoffgemisch ein Einzelmittel im Sinne der Homöopathie. Jedes Mittel pflanzlicher oder tierischer Herkunft beruht auf einem solchen Stoffgemisch. Selektiert werden muss da gar nichts. Es geht eben um die Wirkung des geprüften Stoffes.

Apis mellifica ist allerdings tatsächlich ein problematisches Beispiel, weil die ursprüngliche Prüfung auf der Wirkung des Bienengiftes beruht.

Einzelne Hersteller sind daher auch dazu übergegangen das Bienengift selbst anzubieten unter der Bezeichnung Apisinum.

In der Praxis funktioniert allerdings auch Apis mellifica bei Symptomen, die an die Wirkung von Bienengift erinnern. Eine gewisse Großzügigkeit scheint dem Ähnlichkeitsprinzip inhärent zu sein (bei akuten Verschreibungen allerdings eher als bei chronischen).

  1. Warum werden die unvermeidlichen Verunreinigungen des Lösungsmittels nicht potenziert?

  2. Was wird potenziert, wenn der Urstoff nicht mehr vorhanden ist?

  3. Wie wird die zu potenzierende Eigenschaft selektiert? Beispiel: Warum wird nicht die Giftwirkung von Arsen durch das Potenzieren verstärkt, sondern nur die heilende Wirkung?

  4. Wie wird die Wirkung der Heilkraft durch Schütteln auf die zehn- oder hundertfache Menge übertragen?

  5. Wie wird die Wirksamkeit dabei verstärkt? Warum merkt man im normalen Leben hingegen nichts von der verstärkenden Wirkung des Schüttelns? Was ist der Unterschied, ob ich ein homöopathisches Präparat schüttele oder meinen Kaffee?

  6. Wie wird diese verstärkte Heilkraft auf dem Zucker gespeichert, nachdem die Lösung verdunstet ist?

  7. Wie wird die Heilkraft vom Zucker gelöst und im menschlichen Körper transportiert?

Das alles sind äußerst interessante Fragen, die sich eben nur mit Hilfe weiterer Grundlagenforschung beantworten lassen. – Aber stabil replizierbare Modelle sind dafür eine conditio sine qua non.

Replizierbar sind einzelne Modelle inzwischen – und das ist doch auch schon mal schön, weil es eben zeigt, dass doch „etwas drin“ ist, auch wenn sie noch nicht ganz stabil sind.

  1. Wie wird die Stelle identifiziert, an denen die Heilkraft ihre Wirkung entfalten soll, was nach homöopathischer Auffassung sehr spezifisch ist und von sehr vielen Faktoren außerhalb der Zelle bestimmt wird, etwa davon, was der Proband / Patient nachts träumt?

Was genau soll damit gesagt werden? Die Vorstellung in der Homöopathie ist zumindest, dass das jeweilige Mittel auf den gesamten Organismus wirkt. Aber selbstverständlich reagiert nicht jeder Teil in gleicher Weise. Der Darm zum Beispiel kann bei der Gabe entsprechender Substanzen Durchfälle entwickeln – das Hirn neigt in der Regel nicht dazu.

Und übrigens: Bitte diese Frage auch an die konventionelle Pharma-Forschung richten! – Meines Wissens sind die meisten der postulierten Rezeptoren bisher nicht wirklich nachgewiesen, und wenn, dann gibt es sie an vielen Stellen. Warum also dann eine „spezifische“ Wirkung postulieren? Opiatrezeptoren gibt es im Darm, an Blutzellen, in Gefäßen und nicht nur im Gehirn!

  1. Wie unterscheidet die Heilkraft, ob sie durch einen Gesunden oder durch einen Kranken eingenommen wurde? Im ersten Fall müsste sie Prüfsymptome erzeugen, im zweiten nicht, denn das wären dann unerwünschte Nebenwirkungen, die in der Homöopathie ja nicht auftreten.

Eine Einmalgabe erzeugt recht selten Symptome (und das gilt übrigens auch für ein ganzes Fläschchen auf einmal). Wenn man im Rahmen einer homöopathischen Arzneimittelprüfung Symptome gezielt hervorrufen möchte, muss das Mittel in kürzeren Abständen häufiger wiederholt eingenommen werden. Und das erzeugt dann Symptome – auch nicht bei allen Prüfern, aber doch bei ausreichend vielen. (Und warum das so ist, weiß niemand.)

Sehr selten erzeugt aber auch die Einmalgabe Symptome, die für das Arzneimittel typisch sind. Voraussetzung dafür ist eine hohe Empfindlichkeit des Probanden bzw. Patienten und wahrscheinlich auch ein bestimmter Grad an Übereinstimmung zwischen den Symptomen des Mittels und den konstitutionellen Symptomen des Prüfers.

Diese Reaktion ist aber erstens selten, zweitens sind die Symptome dann nicht persistierend und drittens sind sie funktioneller Natur [8].

Bei Kranken genügt in der Regel die einmalige Gabe eines passenden homöopathischen Arzneimittels um eine Reaktion zu erzeugen. – Das hat offenbar mit dem Prinzip der Kritikalität zu tun (s.u.).

Offenbar ist es eben so, dass ein kranker Organismus etwas aus dem Gleichgewicht geraten ist, so dass eine kleine Arzneimittelgabe ihn anregt, während ein gesunder Organismus relativ stabil ist und von einer einmaligen Arzneigabe nur sehr selten berührt wird.

  1. Wie unterscheidet die Heilkraft, ob sich die vorgefundene Zelle in der richtigen Region des Körpers befindet, also auf der rechten oder linken Seite zum Beispiel?“

s. Antwort auf Frage 10 – Und: Die Frage ist doch eigentlich umgekehrt: Warum tendieren manche Menschen dazu, Symptome an unterschiedlichen Stellen und möglicherweise auch zu unterschiedlichen Zeiten aber immer auf der gleichen Körperseite zu bekommen? (z.B. Halsentzündung rechts, Schmerzen im Handgelenk rechts und Schmerzen im großen Zeh wiederum rechts) – Klassisch pathophysiologisch ist das kaum zu erklären (vielleicht wäre dies mit einer Pathophysiologie, die sich auf die Theorie komplexer Systeme gründet zu erklären, aber die gibt es leider noch nicht); aber es kommt eben vor; und für eine homöopathische Verschreibung ist so etwas interessant und wichtig. Manche homöopathische Mittel zeigen in der Arzneimittelprüfung eben auch bevorzugt Symptome auf einer Körperseite.

  1. Wie unterscheidet die Heilkraft gesunde von kranken Zellen? Wenn die Zelle gesund ist, muss die Heilkraft an dieser Stelle die spezifischen Symptome erzeugen, die sie heilen kann, wenn die Zelle krank ist. Dies aber auch nur dann, wenn der Patient gesund ist, und nicht anderweitig krank (s. oben). Eine kranke Zelle muss sie hingegen heilen.

Das hat mit dem Prinzip der Kritikalität zu tun. Einfach gesagt: Eine Lawine kann man eben nur dort auslösen, wo genug Schnee liegt

  1. Wieso ist nach homöopathischer Auffassung weniger Wirkstoff in den Präparaten wirksamer, allerdings darf man von Hochpotenzen nicht zu viele nehmen, weil die Wirkung sonst zu stark wird? Welche Dosis-Wirkungs-Beziehung gilt denn nun?

Eine wirklich schöne Frage – und die Antwort ist nicht unkompliziert; z.T. muss man sicherlich auf die noch ausstehenden Ergebnisse künftiger Grundlagenforschung verweisen.

Warum das Prinzip der Potenzierung überhaupt funktioniert, wissen wir eben auch noch nicht. – In früheren Beiträgen zum Ähnlichkeitsprinzip und zur Potenzierung wurde aber schon darauf hingewiesen, dass dieses Prinzip rein pragmatisch entstanden ist aus dem Versuch, die Toxizität von Substanzen zu verringern. Mit einiger Überraschung stellte Hahnemann dann fest, dass die Heilwirkung bei einigen Patienten durch diese spezifische Form der Verdünnung sogar zunahm.

Aus dieser klinischen Beobachtung entstand dann innerhalb von etwa zehn Jahren das Prinzip der Potenzierung.

Allerdings: Die Heilwirkung nimmt nur bei ausreichender Passgenauigkeit zu (d.h. Übereinstimmung der Symptome des Patienten mit den Symptomen, die das Mittel hervorrufen kann). D.h. die Anforderung an die Präzision der Verschreibung steigt tendenziell mit der Höhe der Potenz. – Während Baldrian-Extrakt bei recht vielen Menschen einen arzneilichen Effekt hat, sind die Anforderungen an eine Verschreibung von Valeriana officinalis in einer Hochpotenz doch wesentlich höher.

Genau genommen ist die Heilwirkung auch keine Wirkung des Mittels; sie ist vielmehr eine Reaktion des Organismus auf den Reiz, also die Provokation durch das Arzneimittel. (Wenn man jemanden mit kaltem Wasser überschüttet, wird ihm oder ihr anschließend warm)

Man kann damit natürlich auch nur Reaktionen auslösen, die in der Möglichkeit des Organismus liegen. Genau genommen erhöht man also nur die statistische Wahrscheinlichkeit einer Spontanheilung – das aber wiederum offenbar sehr deutlich. (vgl. Norbert Aust – der Regenmacher)

Und um das Ganze jetzt noch komplizierter zu machen:

Manchmal sind Patienten sehr empfindlich und entwickeln Prüfungssymptome aufgrund einer Einmalgabe. Manchmal ist auch die Reaktion auf das Mittel zu stark.

In solchen Fällen kann man das Mittel bei der nächsten Einnahme dann verdünnen um die Reaktion abzuschwächen. – Aber das ist dann eben eine Verdünnung ohne weiteres Schütteln (oder eben eine recht hohe Verdünnung mit nur wenig Schütteln).

Und soweit sich das aus klinischer Erfahrung sagen lässt: Auch diese Verdünnung folgt nicht ganz einer klassischen pharmakologischen Dosis-Wirkungs-Kurve. Eine Halbierung der Dosis führt nicht zu einer Halbierung der Reaktion. Vielmehr scheint das eher einer logarithmischen Skala zu folgen: Eine Halbierung der Reaktion erfordert in etwa eine Verdünnung im Verhältnis von 1:50 (etwas zwischen 1:10 und 1:100 – ganz exakt lässt sich das nicht quantifizieren).

Anmerkungen

[1] Norbert Aust hier zitiert nach <http://www.br.de/radio/bayern2/gesellschaft/tagesgespraech/homoeopathie-medizin-heilkunst-hokuspokus-100.html>

[2] Bezüglich „sonst etwas“: Ich bin selbst kein Physiker und werde mich daher hüten, physikalische Hypothesen zu formulieren. Aber ich kann Physiker fragen.

Vor Jahren habe ich einmal Hans-Peter Dürr gefragt ob es denkbar sei, dass neben der Materie und der Energie noch Struktur bzw. Information als eine dritte Kategorie betrachtet werden könne.

Der Hintergrund meiner Frage: Wenn man einen Eisenstab magnetisiert (z.B. durch einfaches Reiben), ändert man eigentlich nur die Anordnung der Teilchen (aber nicht deren Chemie) – aber diese strukturelle Änderung hat dann einen physikalischen Effekt (nämlich den Magnetismus) – und eben dieser Effekt kann auch zur Speicherung von Informationen verwandt werden.

Die Antwort von Dürr war, dass dem so sei – nur sei die Information die eigentliche und grundlegende Kategorie, vor Energie und Materie.

Und diese Antwort fasziniert mich bis heute, auch weil sie bereits im Johannesevangelium formuliert ist mit Bezug auf die Genesis. („Am Anfang war das Wort … „)

Siehe auch Galileo-Report.

[3] Ich kenne eigentlich nur einen einzigen Fall, wo jemand das selbst gesehen hat und die Wirkung dennoch bestreitet –  Dieser Fall ist faszinierend und schwer zu erklären; ich versuche es daher gar nicht erst.

In aller Regel aber sind Menschen, die die gelegentlich doch sehr eindrucksvolle Wirkung eines passenden homöopathischen Mittels bei einer schweren akuten Krankheit gesehen haben (wenn sich der Zustand innert weniger Minuten deutlich bessert) sofort und unmittelbar überzeugt.

Und so nährt sich die ganze Diskussion um die Wirksamkeit von homöopathischen Mitteln aus dem Spannungsverhältnis zwischen dem Begriff Evidenz und dem englischen evidence.

Evidenz bezeichnet das unmittelbar aus eigener Anschauung Einleuchtende. – Wer einen Fallschirmabsprung erlebt oder auch nur gesehen hat, braucht keine Studie, um die Wirksamkeit von Fallschirmen zu beurteilen – und schon gar keine randomisierte Studie.

Menschen, die diese Erfahrung nicht gemacht haben, aber genau wissen dass „nichts drin“ ist fragen verständlicherweise nach den wissenschaftlichen Beweisen (evidence).

Aber wie überzeugt man Blinde von der Existenz von Farben?

[4] Forschungreader WissHom

[5] Die wichtigsten Erklärungsstrategien von Skeptiker-Seite um zu erklären, wieso die Mehrzahl der Doppelblindstudien einen signifikanten Effekt zeigt:

Publikations-Bias – die negativen Studien werden einfach nicht veröffentlicht und der Rest ist dann durch den statistischen Zufall zu erklären. – Das Problem ist nur, dass es dann eine recht große Zahl von unveröffentlichten Studien geben müsste, was wiederum schwer in Einklang damit zu bringen ist, dass Studien in der Homöopathie überwiegend nicht von Arzneimittelfirmen finanziert werden sondern von Stiftungen und öffentlichen Geldern; und bei diesen Finanzierungen lassen sich negative Ergebnisse kaum unterschlagen. Weiterhin zeigen eben auch die Ergebnisse der Funnel-Plot-Analyse bei der Meta-Analyse von Shang et al., dass es einen Publikations-Bias bei den Homöopathie-Studien nicht in größerem Maßstab geben kann.

Methodische Schwächen – Die meisten Studien genügen nicht mehr heutigen methodischen Standards. – Stimmt bedingt! – Nur ist das in der konventionellen Medizin nicht anders (s. Irrtum Nr. 2 – Unwissenschaftlich; Die Europäischen Wissenschaftsakademien und die Homöopathie) und ohnehin wird eine Studie dadurch noch nicht irrelevant. Ferner zeigen eben auch die methodisch hochwertigen Studien einen Effekt (ein Problem, mit dem sich auch schon Shang et al. herumschlagen musste, aber die fanden eine elegante Lösung s.u.; schon Shang und Kollegen bescheinigten übrigens den Homöopathiestudien insgesamt gute methodische Qualität).

Fälschung – Diese Behauptung wurde von Edzard Ernst aufgestellt, nur leider völlig ohne irgendeinen Beleg.

Indiskutabel – Dieser wissenschaftstheoretisch eher kühne aber immerhin originelle Ausweg stammt von Christian Weymayr (Die Homöopathie-Lüge). – Positive Homöopathie-Studien seien irrelevant, weil die Homöopathie per se unmöglich sei und daher wissenschaftlich gar nicht untersuchbar. (s. Irrtum „unmöglich“).

Siehe dazu auch die Widerlegung des sog. „Szientibilitätsarguments“ durch Walach und Fischer: Walach, H., & Fischer, K. (2014). Leserbrief zu Christian Weymayr: „Scientabilität – ein Konzept zum Umgang der EbM mit homöopathischen Arzneimitteln“. Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh.wesen (ZEFQ) (2013) 107, 606-610. Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen, 108(1), 80.e81-e83.

Irrelevant – Eine ebenfalls sehr originelle Lösung dieses Dilemmas wurde erstmals in der Metaanalyse von Shang et al. präsentiert und in dem Review von NHMRC noch verfeinert. Man schließe einfach alle Studien unterhalb einer willkürlich festgelegten Probandenzahl aus der Betrachtung aus und der Rest zeigt dann keinen relevanten Effekt mehr. Das ist nun zwar methodisch höchst fragwürdig (Bei einer Metaanalyse werden die Ergebnisse der Einzelstudien zusammengefasst und der Effekt dann neu gerechnet, die Größe der Einzelstudien ist daher nur von geringer Relevanz) und auch völlig unüblich bei Metaanalysen, aber äußerst elegant und wirksam.

[6] s. Blog von Norbert Aust Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie. Seine Kritik an einzelnen Studien schreibt er durchaus mit einigem Sachverstand und nicht alle seine Einwände gegen einzelne Studien sind irrelevant. Bedauerlich ist nur die Einseitigkeit seiner Darstellung (die fundamentale Kritik an Shang et al. z.B. formuliert er so, dass die Aussage der Studie damit nicht in Frage gestellt wird – Schade!). Bedauerlich ist aber auch, dass er seine Kritik nicht an die wissenschaftlichen Journals schickt, in denen die Originalarbeiten der jeweiligen Autoren publiziert wurden. Damit würde er sich in den wissenschaftlichen Diskurs begeben, müsste dann allerdings auch damit leben, dass einige seiner Argumente auch leicht zu entkräften sind.

[7] Forschung an ultrahohen Verdünnungen – relevant oder nicht?

[8] Es ist aber durchaus Gegenstand der Diskussion, ob diese Reaktionen als Unerwünschte Arzneiwirkungen (UAW) gesehen werden sollten. – Seitens des Bundesamtes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) werden sie jedenfalls so gewertet.

Meine persönliche Meinung dazu:

Es handelt sich ja nicht um pharmakologische Wirkungen (dazu ist die Dosis zu niedrig) sondern um sehr individuelle wenn auch spezifische Reaktionen.  Und jetzt mal etwas spitzfindig: Wenn es keine pharmakologische Wirkung gibt, kann es auch keine unerwünschten Wirkungen geben. – Allerdings bin ich durchaus auch der Meinung, dass etliche der seltenen UAWs (<1:100.000 – unter Einbeziehung des bekannten Underreporting von UAWs de facto also ca. 1:10.000) bei konventionellen Pharmaka wahrscheinlich auch in diesen Bereich fallen. Das sind möglicherweise zum Teil auch keine wirklichen UAWs sondern individuelle aber doch spezifische Reaktionen. Idiosynkrasie nannte man so etwas früher auch.

Es geht dabei auch um die Unterscheidung:

  • Wenn ich auf jemanden schieße und der fällt tot um, dann ist das nachvollziehbarerweise strafbar (je nach der Situation als Mord oder Totschlag – mindestens aber Körperverletzung mit Todesfolge)
  • Wenn ich ein Buch schreibe und nach dem Lesen dieses Buches bringen sich reihenweise Leute um, dann ist das auch nicht schön – aber nicht strafbar.

Der wesentliche Unterschied nämlich: Das Erstere ist eine Wirkung – das Zweite eine Reaktion. – Für Wirkungen bin ich verantwortlich, für Reaktionen nur sehr begrenzt.

Und nicht einmal in dem deutlich restriktiveren 19. Jh wurden „Die Leiden des jungen Werther“ verboten, obwohl sich nach dessen Lektüre reihenweise junge Männer umbrachten.

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Ankündigungen

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Ärztliche Weiterbildung „Integrative Onkologie“

Die erste ärztliche Weiterbildung „Integrative Onkologie“ findet von Donnerstag, 21. bis Sonntag, 24. März 2019 in Berlin statt. Sie wird im Rahmen der Europäischen Akademie für Naturheilverfahren (EANU) von Dr. Wasylweski und Prof. Walach organisiert. Dozenten sind neben den beiden u. a. Prof. Michalsen, Prof. Matthes, Dr. Schad, Dr. Spahn, Dr. Heinrich, Dr. Kessler und Prof. Frass. Dabei kommt auch die Erfahrung von Prof. Frass mit der Homöopathie zu Wort sowie immunologische, naturheilkundliche, umweltmedizinische, spirituelle Aspekte und Perspektiven der TCM, des Ayurveda und die momentan beste Praxis der wichtigsten Tumorentitäten.

Nähere Informationen und Anmeldung auf www.eanu.de/akademie.

Homöopathie –– eine akzeptable „Heilmethode“ in der heutigen Zeit ?

Veranstaltung der Gesellschaft der Freunde der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Dienstag, 26. Februar 2019 – 19 Uhr

Österreichische Akademie der Wissenschaften, Theatersaal

Wien I, Sonnenfelsgasse 19

Vortrag

Prof. Helmut Denk – ehemals Vorstand des Instituts für Pathologische Anatomie an der Universität Graz, von 2009 bis 2013 Präsident der ÖAW.

Statements

Prof. Michael Frass – Leiter der Informationsambulanz Homöopathie bei malignen Erkrankungen, Klinik für Innere Medizin I, AKH Wien; Leiter des Instituts für Homöopathieforschung e.V.; Vorsitzender WissHom

Prof. Michael Freissmuth – Leiter, Zentrum für Physiologie und Pharmakologie, Medizinische Universität Wien

Moderation

Prof. Hubert Christian Ehalt – Präsident der Gesellschaft der Freunde der ÖAW

Anmeldung:

Gesellschaft der Freunde der ÖAW · Sekretariat: andrea.traxler@oeaw.ac.at · 0 664 80 515 1 15 10

www.oeaw.ac.at/gesellschaftderfreunde

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Die populärsten Irrtümer

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– über die Homöopathie und die konventionelle Medizin – Teil 9

Harald Walach

Weil ich in Debatten immer wieder die gleichen falschen Aussagen höre, stelle ich sie hier einmal zusammen mit den entsprechenden Argumenten, Daten und Fakten: Irrtümer, die über die Homöopathie geäußert werden, meistens mit entsprechenden Irrtümern über die Medizin gepaart. Ich hoffe, das entspannt die Debatte, die ich als unnötig polarisiert und wenig konstruktiv wahrnehme. Es geht weiter mit

Irrtum Nr. 9 – Unmöglich

Homöopathie ist unmöglich. Sie widerspricht allem, was wir über die Natur wissen und ist daher rein theoretisch so unwahrscheinlich, dass wir uns gar nicht erst mit ihr befassen müssen

Ich halte das für das dümmste von allen Argumenten. Und zwar aus folgendem Grund: Auch nur eine kursorische Kenntnis der Wissenschaftsgeschichte zeigt uns, dass dieses Argument das Argument der konservativen, ängstlichen Geister war, die auf einem bestimmten Status Quo der Erkenntnis beharrt haben und mit diesem Argument Neuerungen aller Art begegnet sind. Und in fast jedem bekannten prominenten Fall – nicht in jedem, aber in vielen Fällen – hat es sich als falsch erwiesen. Die Beispiele würden eine lange Liste füllen. Hier sind ein paar prominente Beispiele:

Emilio Parisano meinte, unter Rückgriff auf die Physiologie des Aristoteles, es könne keinen Herzschlag geben und keiner in Venedig hätte je einen Herzschlag gehört (und das meinte er durchaus ernst).1p 107

In der Diskussion um die Bewegung der Erde wurde argumentiert, es wäre unmöglich, dass sich die Erde bewege, denn dann würde ja nichts an seinem Platz bleiben; außerdem würden die Menschen an der anderen Seite der Erde, wenn sie denn rund wäre, herunterpurzeln.2

Der Mond könne keine Unebenheiten haben, meinten die Astronomen vor der Benutzung von Teleskopen, weil er lt. Aristoteles ein perfekter Himmelskörper wäre.3,4

Die Umwandlung von Elementen wurde vor der Entdeckung der Radioaktivität als unmöglich angesehen und auch diese wurde höchst skeptisch beäugt.5

Lange dachte man, es wäre unmöglich, oder zumindest höchst unwahrscheinlich, dass es außerhalb unseres Sonnensystems Sterne mit Planeten gäbe. Heute kennt man viele hundert solcher Planeten in anderen Sonnensystemen.6

Bis vor etwa 150 Jahren dachte man, es wäre unmöglich, dass die Winkelsumme eines Dreiecks größer oder kleiner als 180° sein könne, bis die Riemannsche Geometrie, die sich mit gekrümmten Räumen befasste, zeigte, dass in gekrümmten Räumen dies eben sehr wohl der Fall sein kann. Dies ist die Basis für Einsteins Relativitätstheorie und viele andere Entwicklungen.7

Als die erste Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth in Betrieb genommen wurde, meinten Kritiker, es wäre höchst gefährlich, bei solchen Geschwindigkeiten unterwegs zu sein und dem Menschen wäre es unmöglich, sie auszuhalten.

Die jüngere Medizin ist voll von solchen Beispielen der angeblichen Unmöglichkeit:

Es wäre unmöglich, Blut, Organe oder andere Körperbestandteile zu transplantieren, sagte man, bis man die immunologischen Voraussetzungen verstand und beherrschen konnte. Das Nervensystem und das Immunsystem seien getrennte Systeme, die keinerlei Kontakt miteinander hätten. Das galt, bis man im Rahmen psychoneuroimmunologischer Forschungen entdeckte, dass das Immunsystem konditionierbar ist und in der Tat kein Neurotransmitter existiert, der nicht auch immunologische Funktionen hat und umgekehrt.8,9

Es gibt natürlich auch Gegenbeispiele: Irrtümer, bei denen man eine Weile dachte, etwas Neues gefunden zu haben: Blondlet dachte etwa, er hätte neue Strahlen gefunden, die N-Strahlen. Sie lösten sich relativ rasch in Nichts auf.10 Aber bei diesen und allen anderen Irrtümern wird man finden: Keiner hat sich länger als eine Generation gehalten. Falls die Homöopathie zu solchen Irrtümern zählt, dann hat sie sich mehr als 200 Jahre gehalten und damit mehr als 7 Generationen. Rein historisch gesprochen ist allein dies eine Anomalie. Denn andere Theorien, wie etwa der Brownianismus, der zur selben Zeit entstand und dem damals die intellektuelle Elite anhing und der damit viel einflussreicher war als die Homöopathie, sind sang und klanglos im Boden der Geschichte verschwunden.11 Irrtümer haben sich historisch gesehen relativ rasch geklärt.

Das Unmöglichkeitsargument macht, wann immer es angewandt wird, eine fatale Voraussetzung: dass nämlich der derzeitige Stand des Wissens der unhintergehbare Horizont der Wissenschaft sei. Damit ist es implizit fortschrittsfeindlich, konservativ und wenn es dann noch im Verein mit publizistischen und politischen Einschüchterungsversuchen wie im Fall der Homöopathiekritik auftritt, dann nimmt es faschistoide Züge an. Dass es grundsätzlich töricht ist, sich eines solchen Arguments zu bedienen, zeigen nicht nur die Geschichte, sondern ein paar grundlegende Überlegungen. Wenn es stimmen würde, dann hätten wir heute einen Stand des Wissens erreicht, der nicht mehr revidierbar wäre, bzw. dann wären Bestandteile unseres Wissens grundlegend und für alle Zeiten festgeschrieben. Das wäre zwar grundsätzlich denkbar, ist aber der Sache nach höchst unwahrscheinlich und der Logik nach nicht gut argumentiert.

Das Sache nach würde es bedeuten, dass unsere Naturwissenschaft im Prinzip schon alles Wesentliche erkannt hat und nur noch ein paar Details auszufüllen sind, bis wir das perfekte Bild der Welt haben. Abgesehen davon, dass das seit Menschen Wissenschaft betrieben haben, fast alle Generationen so gesehen haben, ist es ein schlecht informiertes Bild unserer Wissenschaft. Wir haben zwar viele wichtige Erkenntnisse erworben, deren Revision unwahrscheinlich ist. Eine neue Art der Physik müsste sicher so beschaffen sein, dass sie die bekannten und bewährten Gesetze integriert. Die Bernouilleschen Auftriebsgesetze werden sicher auch in einer anderen Art der Physik funktionieren und Flugzeuge auch dann fliegen, wenn jemand einmal eine Theorie vorschlägt, die Quantenphysik und Relativitätstheorie integriert. Aber das heißt nicht, dass wir alles wissen, was wichtig ist zu wissen. Unsere Wissenschaft hat z.B. überhaupt keine Ahnung, wo sich etwa 95% der Energie und Materie im Universum befinden.6,12,13 Jedenfalls sind sie nicht sichtbar und mit unseren Mitteln erkennbar – schwarze Löcher zählen nicht, denn sie sind schon bei der erkennbaren Materie eingerechnet. Unsere Wissenschaft weiß auch nicht, wie die Physik des ganz Großen, die Relativitätstheorie, mit der Physik des ganz Kleinen, der Quantentheorie, zu verbinden ist. Die Evolutionstheorie, so fruchtbar sie ist, lässt sehr vieles im Dunkeln, angefangen von der Frage, wie es kam, dass die Grundkonstanten so beschaffen sind, wie sie es sind, damit unser Universum entstehen konnte, bis zu den Detailfragen wie genau sich Wettbewerb und Kooperation zueinander verhalten.6 Bis vor Kurzem dachte man, Quanteneffekte würden nur den subatomaren Bereich betreffen. Mittlerweile wissen wir, dass die Photosynthese ein makroskopischer Quanteneffekt ist, dass Pflanzen Photonen zur Speicherung von Information verwenden können und wer weiß zu was sonst noch.14,15 Empirisch gesehen ist das Umöglichkeitsargument, das von einem fixen, unveränderten und wahren Bestand von Wissen ausgeht also im einfachsten Falle töricht, im schlimmsten Falle destruktiv.

Logisch ist die Vermutung, wir hätten schon alles Wissen oder wären kurz davor, die wichtigsten Sachen zu wissen, falsch. Denn die Wahrheit einer Theorie lässt sich gar nicht erweisen; das hat Popper gesehen16,17. Wir können höchstens Theorien aufbauen, die viele Versuche der Widerlegung überstehen, so wie etwa die Quantentheorie, die weit mehr als 300 Versuche sie zu widerlegen überstanden hat. Aber ist sie deswegen wahr? Nein. Sie ist brauchbar. Sie ist höchstwahrscheinlich nicht wahr in einem philosophischen Sinne17. Denn sie ist mit anderen Theorien, eben der Relativitätstheorie, unvereinbar. Also wird es höchstwahrscheinlich eine theoretische Struktur geben müssen, die beide auf einer tieferen Ebene vereinigt. Zu behaupten, man könne die Unmöglichkeit von etwas aufweisen, setzt voraus, man hätte einen absoluten, unbezweifelbaren und nicht mehr wegzudiskutierenden Grund des Wissens. Und genau den gibt es im Rahmen der Wissenschaft nicht. Denn jede theoretische Struktur, das hat Gödel klar gesehen, muss auf ein System außerhalb ihrer selbst zurückgreifen, die sie als gegeben oder akzeptiert voraussetzt.18-20

Daher wird es immer nur relativ gut gesichertes Wissen geben, das immer unter Revisionsvorbehalt steht. Die Unmöglichkeit oder das Nichtvorhandensein von etwas kann man nicht beweisen. Denn das setzt voraus, dass man das ganze Universum zu allen Zeiten und an allen Orten untersuchen könnte und das ist nicht möglich.

Insofern müsste das Unmöglichkeitsargument lauten: Die Homöopathie ist unmöglich unter der Maßgabe, dass Wirkungen nur von Molekülen ausgehen können. Das ist ein Satz, der sicher schwer zu bezweifeln ist. Die Frage ist nur: Wie gehaltvoll ist er? Wer sagt, dass Wirkungen nur von Molekülen ausgehen können? Das ist nur sinnvoll unter einer bestimmten im tieferen Sinne unausgesprochenen Voraussetzung, nämlich der Voraussetzung einer materialistischen Interpretation der Welt und der Naturwissenschaft. Aber wer weiß ob sie stimmt? Wir machen im Alltagsleben laufend die Erfahrung, dass eine nichtmaterielle Ursache, etwa mein Wunsch, oder sonst ein mentaler Vorgang, eine Wirkung in der materiellen Welt hat. Das ist ein Paradox, das noch immer nicht gelöst ist und auf das Peter Bieri vor Zeiten einmal hingewiesen hat.21 Ich will mich jetzt nicht in die Tiefen des Bewusstseinsproblems verlieren; das habe ich andernorts getan.22-27 Nur so viel: die allseits weit verbreitete Meinung, man könne Bewusstsein als Resultat der Neuronenaktivität und damit als materielles Phänomen verstehen halte ich für ein postmodernes Märchen. Mit dieser Idee bin ich in zunehmend größerer und illustrerer Gesellschaft von Philosophen und anderen Psychlogen28-34. Wir können sogar im Rahmen der Physik die Paradoxie beleuchten: Am Ursprung der materiellen Eigenschaften von Molekülen und Atomen liegt eigentlich nichts anderes als mathematische Information. Denn Materie löst sich immer mehr ins Nirwana des Formalismus auf, je tiefer man blickt.35,36 Und wenn man ganz strikt argumentiert, dann ist die eigentliche Ursache von Ereignissen keine materielle, sondern eine formale, nämlich die formale Struktur von Gesetzen, die sich irgendwann im Materiellen bemerkbar machen. Komisch oder?

Das heißt nun alles nicht, dass damit die Homöopathie erklärt oder verstanden wäre. Es heißt nur: das Argument von der Unmöglichkeit der Homöopathie ist kein Argument sondern Ideologie, die ihre eigenen Voraussetzungen noch nicht durchschaut hat. Und eine Ideologie, die ihre eigenen Voraussetzungen nicht kennt, ist Fanatismus. Und sie hat sogar einen Namen: Szientismus.37-39

Das früher als unmöglich Gesehene wurde im Laufe der Wissenschaftsgeschichte dann in den Corpus des Wissens und des Möglichen aufgenommen, wenn sich empirisch gezeigt hat, dass es doch möglich ist, und wenn sich theoretisch gezeigt hat, wie es möglich ist. Allerdings mussten dazu häufig die Grenzen der Methodik verschoben werden. William Harvey hat die Vivisektion eingeführt und Hunde bei lebendigem Leibe aufgeschnitten an denen er ein schlagendes Herz sehen und zeigen konnte, eigentlich eine methodische Unappetitlichkeit. Galileo benutzte das kurz zuvor erfundene Fernrohr, um die Landschaft des Mondes, die Phasen der Venus und die Monde des Jupiters zu zeigen. Ob wir die Wirksamkeit oder die Effekte der Homöopathie mit den vorhandenen empirischen Mitteln zweifelsfrei klären können, weiß ich nicht. Wir können mit randomisierten Systemvergleichen klären, ob Homöopathie, verglichen mit konventioneller Medizin, gleich gut, besser oder schlechter ist. Solche Studien gibt es leider nur wenige, und wo es sie gibt, zeigen sie in der Regel mindestens Gleichwertigkeit. Wir können mit Placebo-kontrollierten Studien klären, ob Homöopathie im Sinne einer klassischen lokalen pharmakologischen Ursache wirkt. Diesen Befund habe ich anderweitig immer mal wieder diskutiert (s. unten Links zur Studienlage) und ich werde noch darauf zurückkommen. Ich persönlich habe meine Zweifel, ob sich eine solche lokale Kausalität wird nachweisen lassen. Ich denke, wir haben es bei der Homöopathie mit einem nicht-klassischen Phänomen zu tun, dem wir mit den vorhandenen Denkschemata und Forschungsmodellen nur begrenzt gerecht werden können. Daher scheint sie „unmöglich“ zu sein. Aber wenn wir sie als Herausforderung auffassen, sie besser zu verstehen und nicht als „unmöglich“ abkanzeln, dann haben wir eher eine Chance, etwas Neues zu entdecken, das wir bisher noch nicht gekannt haben. Die Analyse des Fortschritts in der Wissenschaft und in der Medizin zeigt, dass das die klügere Heuristik ist.

Links zur Studienlage

Die Europäischen Wissenschaftsakademien und die Homöopathie

Ist Homöopathie also nun ein Placebo? Pros, Cons, und einige Fälle zum Nachdenken

Plausibilitätsbias und die weit verbreitete Meinung, die Homöopathie sei „widerlegt“

Die populärsten Irrtümer – Nr. 2 – Unwissenschaftlich

Referenzen

  1. Parisano E. Recentiorum disceptationes de motu cordis, sanguinis et chyli. Leiden: Ioannis Maire; 1647.
  2. Fischer K. Galileo Galieo. Biographie seines Denkens. Stuttgart: Kohlhammer; 2015.
  3. Numbers RL, editor. Galileo Goes to Jail and Other Myths about Science and Religion. Cambridge, MA: Harvard University Press; 2009.
  4. Shea WR, Artigas M. Galileo Galilei. Aufstieg und Fall eines Genies. Aus dem Englischen von Karl H. Nicolai. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft; 2006.
  5. Brian D. Einstein – A Life. New York: Wiley; 1996.
  6. Hands J. Cosmo Sapiens. Human Evolution from the Origin of the Universe. London: Duckworth; 2015.
  7. Reichenbach H. The Philosophy of Space and Time. New York: Dover; 1957.
  8. Schubert C. Psychoneuroimmunolgie und Psychotherapie [Psychoneuroimmunology and Psychotherapy]. 2. Aufl. ed. Stuttgart: Schattauer; 2015.
  9. Ader R, Felten DL, Cohen N, editors. Psychoneuroimmunology. 3rd Edition ed. San Diego,CA: Academic Press; 2000.
  10. Fischer K. Die Funktion der Toleranz in der Ökologie des Wissens. In: Yousefi HR, Fischer K, eds. Die Idee der Toleranz in der interkulturellen Philosophie Eine Einführung in die angewandet Religionswissenschaft. Nordhausen: Traugott Bautz; 2003: 51-83.
  11. Schwanitz HJ. Homöopathie und Brownianismus 1795-1844. Stuttgart, New York: Gustav-Fischer-Verlag; 1983.
  12. Grote H. Gravitationswellen. Geschichte einer Jahrhundertentdeckung [Gravitation Waves. History of a Once-in-a-Century Discovery]. München: Beck; 2018.
  13. Afshordi N, Corianò C, Delle Rose L, Gould E, Skenderis K. From Planck data to Planck era: Observational tests of holographic cosmology. Physical Review Letters 2017; 118(4): 041301-1-8.
  14. Collini E, Wong CY, Wilk KE, Curmi PMG, Brumer P, Scholes GD. Coherently wired light-harvesting in photosynthetic marine algae at ambient temperature. Nature 2010; 463(7281): 644-7.
  15. Karpiński S, Szechyńska-Hebda M. Secret life of plants: from memory to intelligence. Plant Signaling & Behavior 2010; 5(11): 1391-4.
  16. Popper KR. Logik der Forschung. 6. verb. Auflage ed. Tübingen: J.C.B. Mohr; 1976.
  17. Maxwell N. In Praise of Natural Philosophy. A Revolution for Thought and Life. Montreal: McGill-Queen’s University Press; 2017.
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  19. Devlin K. Kurt Gödel – Separating truth from proof in mathematics. Science 2002; 298: 1899-900.
  20. Gödel K. Ueber formal unentscheidbare Sätze der Principia Mathematica und verwandter Systeme I. Monatshefte für Mathematik und Physik 1931; 38: 173-98.
  21. Bieri P. Why is consciousness puzzling? In: Metzinger T, ed. Conscious Experience. Thoverton: Imprint Academic; 1995: 45-60.
  22. Walach H. Geist in der Flasche – vulgärer Materialismus auf dem Tisch: Kategorienfehler, unbequeme Daten und ein bescheidener Beitrag zum Leib-Seele-Problem. In: Weinzierl J, Heusser P, eds. Was ist Geist? 2 Wittener Kolloquium für Humanismus, Medizin und Philosophie (Band 2). Würzburg: Könighausen und Neumann; 2014: 85-121.
  23. Walach H. The Problem of Consciousness. In: Runehov ALC, Oviedo L, eds. Encyclopedia of Sciences and Religion. Drodrecht: Springer; 2013: 476-83.
  24. Walach H, Römer H. Generalized entanglement – A nonreductive option for a phenomenologically dualist and ontologically monist view of consciousness. In: Walach H, Schmidt S, Jonas WB, eds. Neuroscience, Consciousness and Spirituality. Dordrecht: Springer; 2011: 81-95.
  25. Walach H. Mind – body – spirituality. Mind and Matter 2007; 5: 215-40.
  26. Walach H. The complementarity model of brain-body relationship. Medical Hypotheses 2005; 65: 380-8.
  27. Walach H, Römer H. Complementarity is a useful concept for consciousness studies. A reminder. Neuroendocrinology Letters 2000; 21: 221-32.
  28. Noë A. Out of Our Heads: Why You are Not your Brain, and Other Lessons from the Biology of Consciousness. New York: Hill & Wang; 2009.
  29. Velmans M. Understanding Consiousness. London: Routledge; 2009.
  30. Velmans M. A Reflexive Science of Consciousness. In: Bock GR, Marsh J, eds. Experimental and Theoretical Studies of Consciousness. Chichester: Wiley; 2007, orig. 1993: 81-99.
  31. Maxwell N. Three philosophical problems about consciousness and their possible resolution. Open Journal of Philosophy 2011; 1(1): 1.
  32. Chalmers DJ. The Character of Consciousness. New York, Oxford: Oxford University Press; 2010.
  33. Nagel T. Mind and Cosmos: Why the Materialist Neo-Darwinian Conception of Nature is Almost Certainly False. Oxford: Oxford University Press; 2012.
  34. Hasler F. Neuromythologie: eine Streitschrift gegen die Deutungsmacht der Hirnforschung. 5., unveränd. Aufl ed. Bielefeld: transcript; 2015.
  35. Hamberger E, Pietschmann H. Quantenphysik und Kommunikationswissenschaft. Auf dem Weg zu einer allgemeinen Theorie der Kommunikation. Freiburg: Karl Alber; 2015.
  36. Zeilinger A. A foundational principle for quantum mechanics. Foundation of Physics 1999; 29: 631-43.
  37. Husserl E. Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Philosophie [The Crisis of the European Sciences and Transcendental Philosophy]. Hamburg: Meiner; 1977, orig. 1909.
  38. Williams RN, Robinson DN, editors. Scientism: The New Orthodoxy. London: Bloomsbury; 2016.
  39. van Fraassen B. Naturalism in epistemology. In: Williams RN, Robinson DN, eds. Scientism: The New Orthodoxy. London: Bloomsbury; 2016: 64-95.

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Die populärsten Irrtümer

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– über die Homöopathie und die konventionelle Medizin – Teil 8

Weil ich in Debatten immer wieder die gleichen falschen Aussagen höre, stelle ich sie hier einmal zusammen mit den entsprechenden Argumenten, Daten und Fakten: Irrtümer, die über die Homöopathie geäußert werden, meistens mit entsprechenden Irrtümern über die Medizin gepaart. Ich hoffe, das entspannt die Debatte, die ich als unnötig polarisiert und wenig konstruktiv wahrnehme.

Es geht weiter mit

Irrtum Nr. 8 –Potenzierung – alles Hokuspokus

von Susann Buchheim-Schmidt

Kritiker der Homöopathie stellen die Wirksamkeit der homöopathischen Therapierichtung per se in Frage, da durch den hohen Verdünnungsgrad keine Wirkung mehr möglich sei. Dabei wird häufig das sogenannte „Bodenseeargument“ ins Feld geführt.

Bezüglich der Technik des Potenzierens kommt immer wieder die Frage auf: „Wodurch ist als Notwendigkeit nachgewiesen, dass man gegen den Erdmittelpunkt schütteln muss?

Verdünnen um zu Detoxifizieren

Hahnemann untersuchte nach dem Chinarindenversuch im Jahre 1790 viele weitere Arzneimittel auf ihre potentielle Wirksamkeit für die Homöopathie. Oft handelte es sich um giftige Stoffe, da von diesen schon eine entsprechende Wirkrichtung bekannt war oder diese schon in der Allopathie verordnet wurden. Er nannte auch klar das Vergiftungsbild als eine der Grundsäulen für ein homöopathisches Arzneimittelbild, neben homöopathischen Arzneimittelprüfungen am Gesunden und klinischen Erfahrungen. Zu nennen als toxische Ausgangsstoffe für homöopathische Arzneien, die auch schon von Hahnemann verwendet wurden, sind beispielsweise die Tollkirsche (Atropa belladonna), der Blaue Eisenhut (Aconitum napellus), Quecksilberpräparate (Mercurius solubilis) oder auch Arsentriooxid (Arsenik; Arsenicum album).

Hahnemann wollte seine Patienten nicht schaden. Dies war z.B. in der damaligen allopathischen Medizin mit hohen Gaben quecksilberhaltiger Arzneien im Falle der Syphilis “Standard“; Franz Schubert etwa dürfte an den Folgen der Quecksilberdampfbäder verstorben sein, die er wegen seiner Syphilis verordnet bekam. Daher verdünnte Hahnemann die Ausgangsstoffe unter die toxische Konzentration, auch weil er feststellte, dass bei ausreichender Symptomähnlichkeit nur sehr kleine Dosen notwendig waren. Diese Verdünnung erfolgte – wie auch heute noch in der Laborarbeit gängige Praxis – schrittweise als Verdünnungsserie, was besonders exakte Konzentrationsverhältnisse garantiert. Als Verdünnungsverhältnis wählte er Hunderterschritte, woraus später die sogenannten C-Potenzen (Centesimalpotenzen) abgeleitet wurden. Um eine Durchmischung der Verdünnungen zu garantieren wurde geschüttelt. Dies alles hatte zunächst nichts mit Potenzierung zu tun, sondern war ein ganz pragmatischer Ansatz.

Daher sprach er bis zum Jahre 1821 auch noch von Verdünnungen. Erst später machte er die Erfahrung, dass mit steigenden Verdünnungsschritten der Arznei auch die Wirkstärke und Wirkdauer anstieg. Der Begriff „Potenzierung“ wurde erst im Jahre 1827 das erste Mal gebraucht. (Schmidt, Taschenatlas Homöopathie)

Potenzierung mittels Schüttelschlägen – Was schreiben die Arzneibücher vor?

Mit der Anzahl der Schüttelschläge experimentierte Hahnemann Zeit seines Lebens und fand mit 10 Schlägen für die C-Potenzen (Verhältnis 1:100) und 100 Schlägen für die LM/ Q-Potenzen (Verhältnis 1:50.000) schließlich das Optimum. (Chronische Krankheiten Band 3 1837; Organon 6. Auflage)

Die starken Schüttelstöße sollten „mit der Hand gegen einen harten, aber elastischen Körper“ ausgeführt werden. „Etwa auf ein mit Leder eingebundenes Buch“ (Organon 6. Auflage).

Von einer „Verschüttelung gegen den Erdmittelpunkt“ ist nirgends die Rede. Allerdings bieten abwärts gerichtete Schüttelschläge naturgemäß die größte Krafteinwirkung auf die Arznei. Mystifiziert wird hier jedoch nichts. 1879 (über 30 Jahre nach Hahnemanns Tod) wurde in Willmar Schwabes Pharmacopoea Homeopathica Polyglotta -dem Vorläufer des heutigen Homöopathischen Arzneibuchs (HAB)- vorgeschrieben, dass die Potenzierung mit 10 kräftigen abwärts gerichteten Schlägen mit dem Arm durchzuführen sei.

Auch hier ist nicht vom Erdmittelpunkt die Rede. Ebenso wenig in allen anderen offiziellen homöopathischen Arzneibüchern in und außerhalb Europas, wie dem deutschen HAB, der Pharmacopée Française (FP), den Monografien zur Herstellung von Homöopathika im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur), der Britischen Homöopathischen Pharmacopoe, der Homöopathic Pharmacopoeia of India (HPI), der Homeopathic Pharmacopoeia of the United States (HPUS) und der Brazilian Homeopathic Pharmacopoeia.

(Arzneinbuchvergleich des Subcommittee Pharmacy im ECH)

Das Märchen vom Erdmittelpunkt hat also seinen Ursprung wohl gar nicht in Homöopathenkreisen, sondern wurde vermutlich von Homöopathiekritikern selbst gestreut, um die Unglaubwürdigkeit der (Herstellungs)methode stärker zu verdeutlichen?

Auch ist keineswegs vorgeschrieben, dass die Schüttelschläge mit der Hand durchzuführen sind. Schon Hahnemann erwähnt im Organon in einer Fußnote des § 270 die Möglichkeit, dass „der Arznei Stöße mittels einer kräftigen Maschine gleichsam eingezwungen“ werden. Auch die oben genannten homöopathischen Arzneibücher lassen die Möglichkeit der mechanischen Verschüttelung zu, insbesondere, wenn „der Bewegungsablauf der manuellen Verschüttelung hinsichtlich Frequenz und Strecke entspricht“. (HAB H.5.4.1.)

Das Bodenseeargument

Ein weiteres Argument der Kritikerszene ist das sogenannte „Bodenseeargument“. Gemeint sind dabei Konzentrationsberechnungen verschiedener homöopathischer Potenzen, um die Unmöglichkeit einer Wirksamkeit zu verdeutlichen.

Beispiel: Ein Tropfen Substanz auf die Menge Wasser im Bodensee würde rein rechnerisch einer D18 entsprechen.

Vergessen wird dabei, dass bei einer homöopathischen Behandlung nicht unbedingt ein potenziertes und damit hoch verdünntes Arzneimittel angewendet werden muss. Das Hauptmerkmal der homöopathischen Therapierichtung ist die Anwendung der Arzneimittel nach dem Ähnlichkeitsprinzip („Simileprinzip“), dies kann durchaus auch mit der Urtinktur oder sehr tiefen Potenzen erfolgen.

Vergessen wird bei solchen Konzentrationsberechnungen auch, dass nicht einfach verdünnt und umgerührt wird (was bei der Riesenmenge Wasser im Bodensee gar nicht möglich wäre), sondern schrittweise verdünnt und dabei -zunächst mittels Verreibung, später mittels Schüttelschlägen- potenziert wird.

Dass es rein auf die Herstellungstechnik bezogen große Unterschiede zwischen einfachem Verdünnen und Potenzieren gibt, soll im Folgenden verdeutlicht werden:

Der Trituarationsprozess

Bei der Milchzuckerverreibung (Trituration) eines Arzneistoffes -von Hahnemann bis zur C3 für fast jede Arznei gefordert- wird die Ausgangssubstanz im Verhältnis 1:100 (für C-Potenzen) oder 1:10 (für D-Potenzen) mit anteiligen Mengen Lactosemonohydrat (jeweils 1/3) in einer rauen Reibschale (Mörser) verrieben. Dabei sind genaue Zeiten einzuhalten, um eine wirkliche Durchmischung der Ausgangssubstanz zu garantieren. Pro Verreibungsschritt ist nach HAB Vorschrift 7 eine Stunde vorgeschrieben.  Durch den Verreibungsprozess wird die Partikelgröße von Arzneistoff und Milchzucker sehr stark verkleinert und es erfolgt ein sehr inniger Durchmischungsprozess. Man hat am Ende der dreistündigen Verreibungszeit in der C3 eine Partikelgröße im Nanometerbereich.

Durch diesen Prozess wird es auch möglich, schwer lösliche Salze oder auch als Grundsubstanz komplett inerte Stoffe (z.B. Lycopodium) für den menschlichen Körper verfügbar zu machen. Zudem hat sich die Löslichkeit des Milchzuckers in Bezug auf Alkohol verändert, man spricht von kolloidaler Löslichkeit.

Ab der 3. Potenz kann dann auf das flüssige Potenzierungsfverfahren (Herstellung von Dilutionen) mittels der oben beschriebenen Verschüttelungsmethode übergegangen werden.

Es gibt einige Theorien darüber, wieso die Information der potenzierten Arznei auf den Trägerstoff (Milchzucker oder Alkohol) übergeht und trotz der Verdünnung eine Wirkung bzw. sogar Wirksteigerung -Voraussetzung ist dabei die Ähnlichkeit zwischen Arznei und Symptomen- zu beobachten ist. Eine abschließende, zufriedenstellende Erklärung warum das so ist, gibt es jedoch tatsächlich noch nicht.

Fakt ist allerdings, dass die Trägersubstanzen in denen ein Arzneistoff potenziert wurde, sich in verschiedenen physikalischen Parametern (NMR-Relaxationszeitmessungen (T1/T2); UV VIS-Untersuchungen) deutlich von einfach nur verschüttelten Kontrollen unterscheiden. Gründe dafür im Herstellungsprozess zu suchen ist naheliegend.

„Ein theoretisches Modell, welches diese Modifikationen als Träger von spezifischen Arzneimittelwirkungen interpretiert, steht jedoch noch aus“; heißt es auch im Forschungsreader der WissHom 2016.

Fazit:

Die Vorschriften des bei der Herstellung von Homöopathika verwendeten Teils des HAB (HAB-Vorschriften 1 bis 17, sowie 43 und 44; jetzt teilweise ins Europäischen Arzneibuch übernommen) sind präzise formuliert und basieren auf Hahnemanns Herstellungsvorschriften im „Organon der Heilkunst“, den „Chronischen Krankheiten“ und der „Reinen Arzneimittellehre“. Mystische Details wie z.B. der Erdmittelpunkt oder Angaben darüber, ob rechts- oder linksherum verrieben oder zu welcher Tageszeit verschüttelt werden sollte, sind dort nicht zu finden und gehören auch nicht zu den Grundlagen der Homöopathie.

Quellen:

https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-352013/homoeopathie-glaubenskrieg-um-globuli/

Hahnemann, Samuel: Organon der Heilkunst, 6. Auflage: http://www.zeno.org/Kulturgeschichte/M/Hahnemann,+Samuel/Organon+der+Heilkunst+(6.+Auflage)

Schmidt, Josef: Taschenatlas Homöopathie in Wort und Bild, Haug-Verlag, Heidelberg 2001

Hahnemann, Samuel: Chronische Krankheiten Band 3, 1837 – „Vorwort über das Technische in der Homöopathie“

http://www.zeno.org/Kulturgeschichte/M/Hahnemann,+Samuel/Die+chronischen+Krankheiten/Arzneimittel/Dritter+Theil/Vorwort

Schwabe, Willmar: Pharmacopoea Homeopathica Polyglotta; Second Edition; Boericke&Tafel, New York 1880

European Committee for Homeopathy (SC Pharmacy): Comparison of homeopathic preparation methods in pharmacopoeias (2016)

Homöopathisches Arzneibuch (HAB), DAV, Stuttgart 2018

Schwarzbach, R./ Buchheim-Schmidt, S.: Fachrechnen für PTA, DAV, Stuttgart 2013

2nd DynHom Colloquium Mai 2017 organized by Unio Homeopathica Belgica

Baumgartner, S.: Stand der Grundlagenforschung in der Homöopathie 2016

Im WissHom-Forschungsreader: https://www.wisshom.de/dokumente/upload/7cda0_forschungsreader_2016_ergschutzgeb%C3%BChr_180713.pdf

Rissel, R.: Kritische Fragen an die Homöopathie

https://www.muench-akademie.de/shop/publikationen/kritische-fragen-an-die-homoeopathie/

Bilder

Wassertropfen – © foodfoto – stock.adobe.com

Potenzierung – S. Buchheim-Schmidt

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Die populärsten Irrtümer

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–  über die Homöopathie und die konventionelle Medizin – Teil 7

Harald Walach

Weil ich in Debatten immer wieder die gleichen falschen Aussagen höre, stelle ich sie hier einmal zusammen mit den entsprechenden Argumenten, Daten und Fakten: Irrtümer, die über die Homöopathie geäussert werden, meistens mit entsprechenden Irrtümern über die Medizin gepaart. Ich hoffe, das entspannt die Debatte, die ich als unnötig polarisiert und wenig konstruktiv wahrnehme. Es geht weiter mit

Irrtum Nr. 7 – Gefährlich

Homöopathie ist potenziell gefährlich, denn sie könnte ja wichtige Behandlungen verhindern. Konventionelle Behandlung hingegen ist auf jeden Fall ratsam.

Das beliebte Argument von Homöopathiekritikern, dass Homöopathie gefährlich ist, weil sie wichtige Behandlungen verzögert und verhindert, ist aus meiner Sicht vor allem eines: unbelegte Polemik.

Theoretisch stimmt das Argument natürlich: wenn zu Zeiten, wo wir wirksame Behandlungen gegen lebensbedrohliche Erkrankungen wie einen akuten Herzinfarkt oder Schlaganfälle haben, jemand erst homöopathische Kügelchen verwendet, dann ist das ein professioneller Fehler.

Praktisch ist es aber meines Wissens nicht belegt, dass dies tatsächlich ein Problem darstellt. Die großen Befragungsstudien, die es gibt, zeigen, dass Patienten Homöopathie und andere komplementäre Verfahren vor allem komplementär, also in Ergänzung, verwenden.1,2 Selten ist Homöopathie die erste Wahl. Meistens kommen Patienten zum homöopathischen Arzt nach einer Odyssee durchs System. Solche Patienten bleiben dann oft dieser Behandlung treu, auch bei anderen und akuten Beschwerden. Dagegen ist aus meiner Sicht kaum was einzuwenden. Denn jeder gute homöopathische Arzt ist zunächst einmal Arzt und kennt die Grenzen seiner Kunst. Übersichtsarbeiten, die der Homöopathie Nebenwirkungen bescheinigt haben wollen,3 leiden unter groben handwerklichen Fehlern.4

Und im Übrigen: Entweder ist die Homöopathie wirkungslos, dann kann sie keine Nebenwirkungen haben und die einzige gefährliche Wirkung wäre die Unterlassung. Oder aber die Homöopathie kann Nebenwirkungen haben, dann ist sie aber auch nicht wirkungslos.

Aber wie sieht es denn mit der Unterlassung wirklich aus? Wie gesagt: Daten sprechen eher dagegen, dass das ein Problem wäre. Und sieht man sich die potenziellen Nebenwirkungen konventioneller Medikamente an, dann bin ich mir gar nicht mehr so sicher, ob es nicht eine kluge Strategie ist, im Normalfall, also dann, wenn keine Gefahr im Verzug ist, zunächst eine homöopathische Therapie zu versuchen und erst dann, wenn das nicht funktioniert, zu stärkeren Geschützen zu greifen. Denn immerhin sind tödliche Nebenwirkungen von konventionellen Arzneien je nach Lesart Todesursache Nr. 2, 3 oder 4 in der modernen Welt.5,6 Die Gefahr an den langfristigen Folgen einer Dauermedikation zu sterben ist deutlich höher als die Gefahr durch homöopathische Therapie eine lebensrettende Massnahme zu versäumen und dadurch zu sterben.

Weil diese Frage aber noch niemand untersucht hat, muss dies Spekulation bleiben. Meine Lieblingsstudie wäre: Einer Kohorte von nicht wirklich ernsthaft Kranker in einem Alter von über 50 Jahren alle Medikamente zu entziehen und durch Placebo zu ersetzen (idealerweise ohne dass sie davon wissen) und den Gesundheitszustand nach einem halben Jahr zu untersuchen. Ich wette eine Kiste Champagner, dass er besser wäre. Da ich diese Studie aber nie bewilligt bekomme und jemand anderer sie nicht machen wird, kriege ich mal wieder meinen Champagner nicht.

Anmerkung 23.2.2019

In diesem Dokument wurden zwei Sätze gestrichen:

„Das Problem taucht allenfalls da auf, wo weniger gut ausgebildete Heilpraktiker ärztliche Versorgungsfunktion übernehmen. Das hat aber weniger mit der Homöopathie, als mit dem System zu tun.“

Diese Sätze waren missverständlich und wurden missverstanden. – Und ich bedaure das.

Es ging mir nicht um eine Diskreditierung von Heilpraktikern.

Dass Heilpraktiker heutzutage viel lernen und wissen müssen, ist mir durchaus bekannt. Wir hatten in unserem Studiengang in Frankfurt/Oder auch viele Heilpraktiker und alle, die ich kennengelernt habe, haben mir viel Respekt abgerungen.

Aber wenn Heilpraktiker ärztliche Versorgungsfunktionen übernehmen und auch schwere Krankheiten behandeln, müssen sie sich darüber klar sein, dass sie sich außerhalb des ärztlichen Versorgungssystems bewegen und damit eine besondere Verantwortung haben.

Erfahrene Heilpraktiker wissen das und kennen die Grenzen.

Das Problem ist aber, dass die Heilpraktiker-Ausbildung keinen zwingenden klinischen  Teil hat.

Auch frisch gebackene Ärzte haben nach Absolvierung ihres Studiums und der Staatsexamina zunächst mal nur viel Wissen angehäuft – und haben noch wenig eigene Erfahrung mit richtigen Patienten und echten Krankheiten.

In ihrer klinischen Ausbildung sehen sie dann in der Regel auch schwerere Krankheitsfälle und  bekommen ein Gefühl für die Schwere von Krankheiten, für Situationen, wo es heikel wird, wo man jemanden um Hilfe bitten muss (im Krankenhaus dann den Oberarzt).

Ausreichende Praxiserfahrung kompensiert diesen Mangel an klinischer Ausbildung – aber bei den Anfängern ist es die klinische Ausbildung, die den Unterschied macht.

Und dass Ärzte dennoch Fehler machen – auch gravierende Fehler – ist hinlänglich allgemein bekannt. – Vielleicht sollte ich diesen Punkt gelegentlich noch vertiefen.

Worum es mir in dem Artikel eigentlich nur ging: Mit der Homöopathie als Methode hat das alles nichts zu tun.

Links

Der perfekte Mord? Neue Albernheiten zum Thema Homöopathie

Stellungnahme WissHom zu: BELLADONNA-HALTIGE HOMÖOPATHIKA … schwere Störwirkungen und Todesfälle in USA, Arznei-Telegramm 3/17 (a-t 2017; 48: 31-2)

Stellungnahme AEHA: Sicherheit homöopathischer Arzneien in Europa gewährleistet

Stellungnahme AEHA: Fakten zu Homeopathic Teething Tablets

Referenzen

  1. Ostermann T, Vollmar HC, Raak C, Jacobi F, Büssing A, Matthiesen PF. Potenzielle Inanspruchnahme von Gesundheitsprofessionen durch privat Versicherte unter Berücksichtigung komplementärmedizinischer Versorgungsleistungen. Forschende Komplementärmedizin 2015; 22: 369-479.
  2. Linde K, Alscher A, Friedrichs C, Joos S, Schneider A. Die Verwendung von Naturheilverfahren, komplementären und alternativen Therapien in Deutschland – eine systematische Übersicht bundesweiter Erhebungen. Forschende Komplementärmedizin 2014; 21: 111-8.
  3. Posadzki P, Alotaibi A, Ernst E. Adverse effets of homeopathy: a systematic review of published case reports and case series. The International Journal of Clinical Practice 2012; 66: 1178-88.
  4. Walach H, Lewith G, Jonas W. Can you kill your enemy by giving homeopathy? Lack of rigour and lack of logic in the systematic review by Ernst and colleagues on adverse effects of homeopathy. International Journal of Clinical Practice 2013; 67: 385-6.
  5. Gøtzsche PC. Deadly Psychiatry and Organised Denial. Copenhagen: People’s Press; 2015.
  6. Gøtzsche PC. Deadly Medicines and Organised Crime: How Big Pharma Has Corrupted Health Care. London: Radcliff; 2013.

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