Die populärsten Irrtümer

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– über die Homöopathie und die konventionelle Medizin – Teil 10

Weil ich in Debatten immer wieder die gleichen falschen Aussagen höre, stelle ich sie hier einmal zusammen mit den entsprechenden Argumenten, Daten und Fakten: Irrtümer, die über die Homöopathie geäußert werden, meistens mit entsprechenden Irrtümern über die Medizin gepaart. Ich hoffe, das entspannt die Debatte, die ich als unnötig polarisiert und wenig konstruktiv wahrnehme. Es geht weiter mit

Irrtum Nr. 10 –  „Nichts drin“

Curt Kösters

Dr. Norbert Aust von der Initiative „Netzwerk Homöopathie“:

Er betont, dass es sich bei Homöopathie um „Pseudomedizin“ handelt – und er bezweifelt, dass stark verdünnte Stoffe wirken können, wenn sie sich nicht mehr nachweisen lassen. „Es ist deshalb unmöglich, weil ein Wirkstoff, der nicht vorhanden ist, nicht wirken kann.“ [1]

Nun ist „unmöglich“ in der Naturwissenschaft immer ein großes Wort (s. Irrtum 9 „unmöglich“ – daran haben sich schon manche die Finger verbrannt. Auch die seinerzeit neu entdeckte Radioaktivität schien ja zunächst mal gegen ein fundamentales Prinzip, den Energieerhaltungssatz, zu verstoßen und wurde entsprechend skeptisch kommentiert.

Dennoch

Weitgehend unstrittig ist ja, dass zumindest in Hochpotenzen keine Substanz mehr enthalten ist (wenn man die Nanopartikel hier mal außen vor lässt).

Und wenn nichts drin ist, kann auch nichts wirken. – Dieses Argument ist hoch plausibel – weit plausibler zum Beispiel, als das Schwingen der Ekel-Keule.

Dieses Argument versteht jeder – und es ist daher nicht überraschend, dass es als zentrales Argument der Anti-Homöopathie-Kampagne Verwendung findet, mit entsprechenden Buttons und anderen Werbe-Acessoires verbreitet und mit öffentlichen Aktionen medienwirksam in Szene gesetzt wird („10:23“ – „Nichts drin – nichts dran“).

Das einzige (wirklich nur klitzekleine) Problem mit diesem Argument ist eigentlich nur, dass diese Hochpotenzen doch eine Wirkung zeigen.

Und wenn sie eine Wirkung zeigen, dann muss „etwas drin“ sein – sei dies nun Substanz oder Energie oder sonst etwas [2].

Die Wirkung, die wir täglich in der Praxis sehen – auch bei schweren Erkrankungen – lässt sich ja noch trefflich weg diskutieren, solange man das nicht selbst gesehen hat [3].

Bei klinischen Studien, insbesondere Doppelblindstudien, wird es da schon schwieriger [4]. Doppelblindstudien wurden ja gerade entwickelt, um Placebo-Effekte von echten Arzneiwirkungen zu unterscheiden. Und die Mehrzahl der Doppelblindstudien in der Homöopathie zeigt einen Effekt. Hier spaltet sich bereits die Skeptiker-Gemeinde bei dem Versuch, diese schwer verdauliche Tatsache hinweg zu erklären [5].

So richtig schwierig wird es aber bei der Grundlagenforschung [4]. Wenn man in einem Labor zeigen kann, dass Hochpotenzen einen Effekt haben der sich von dem Kontrollversuch unterscheidet, dann muss „etwas drin“ sein. Und solche Experimente gibt es mittlerweile in großer Zahl – darunter auch erfolgreich replizierte Modelle.

Da wird es zunehmend schwieriger mit dem wegdiskutieren und der Zeitpunkt, dass das auch in der wissenschaftlichen Community akzeptiert wird, ist einigermaßen absehbar (eher Jahre als Jahrzehnte).

Gut erkennbar ist der sich anbahnende Wandel aber auch schon daran, dass das zentrale Sprachrohr der Skeptiker-Gemeinde in Deutschland für die Anti-Homöopathie-Kampagne, das so genannte Informationsnetzwerk Homöopathie, mittlerweile eine Doppelstrategie zum Thema Grundlagenforschung fährt:

Während Norbert Aust einerseits noch in bewährter Manier versucht das Haar in der Suppe der einzelnen Studien zu finden [6], erklärt er andererseits vorsichtshalber schon mal die gesamte Grundlagenforschung zu Hochpotenzen als irrelevant für die Diskussion um die Homöopathie [7].

Das ist auch insofern bemerkenswert, als noch Weymayr in seinem Buch „Die Homöopathie-Lüge“ (2012) zwar gleich die gesamte klinische Forschung zur Homöopathie als irrelevant erklärte, dann aber doch großzügig einräumte, dass ihn relevante Ergebnisse aus der Grundlagen-Forschung überzeugen könnten.

Norbert Aust ist hier deutlich vorausschauender.

Die Irrelevanz der Grundlagenforschung

Die Stellungnahme von Dr. Aust in seinem Blog „Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie“ zeigt einen der wichtigsten Aspekte für die Beurteilung der „homöopathischen Grundlagenforschung“ auf, zu der die high dilution research zweifellos gehört: Den fehlenden Bedeutungszusammenhang solcher Forschungen (und ihrer Ergebnisse) für die Grundfrage der Richtigkeit des homöopathischen Gedankengebäudes und vor allem des Nachweises einer spezifischen Wirksamkeit. [7]

[…]

Das Erforschen extremer Verdünnungen, also über den Punkt hinaus, an dem vom Ursprungsstoff noch etwas vorhanden ist, ist sehr weit weg vom behaupteten Phänomen und der angeblich erheblichen klinischen Wirksamkeit der Homöopathie. Es müsste erst die Brücke aufgebaut werden, dass die Differenzen, die da gefunden worden sind, Bestand haben und irgendeinen Bezug zur Wirkung der Homöopathie hätten. [7]

[Hervorhebung im Original]

Man immunisiert sich schon mal dagegen – dass die Ergebnisse in der Grundlagenforschung mittlerweile doch recht konsistent sind und dass da in der Zukunft noch mehr drohen könnte. – Allerdings entlarvt sich auch das ganze Informationsnetzwerk Homöopathie mit eben diesem Versuch einer Immunisierung als rein ideologisches Unterfangen.

Begründet wird das in der Darstellung des INH mit folgenden Argumenten:

  1. Worin besteht die Heilkraft / das Agens, das beim Patienten wirksam werden soll? Ein identifizierbarer Wirkstoff ist es nicht, denn schon ab recht niedrigen Potenzen ist das Lösungsmittel von der Lösung nicht mehr unterscheidbar.

Stimmt! – Den genauen Wirkungsmechanismus kennen wir noch nicht. Aber replizierbare Modelle schaffen überhaupt erst die Grundlage für dessen Erforschung. Mit replizierbaren Labor-Modellen kann man dann anfangen zu untersuchen, wodurch sich z.B. der Effekt blockieren lässt – und so die Natur des Effektes allmählich eingrenzen. So funktioniert Wissenschaft.

  1. Wie wird der richtige Grundstoff dafür aus dem Einsatzmittel selektiert? Beispiel: In der Homöopathie verwendet man die ganze Biene („Apis mellifica“), die aus tausenden verschiedenen Stoffen besteht. Wie wird der Richtige daraus selektiert?

Was ist das Problem? – Wenn ein bestimmtes Stoffgemisch in einer homöopathischen Arzneimittelprüfung untersucht wurde, und deren Symptome dann wiederum in der klinischen Anwendung verifiziert werden, dann ist dieses Stoffgemisch ein Einzelmittel im Sinne der Homöopathie. Jedes Mittel pflanzlicher oder tierischer Herkunft beruht auf einem solchen Stoffgemisch. Selektiert werden muss da gar nichts. Es geht eben um die Wirkung des geprüften Stoffes.

Apis mellifica ist allerdings tatsächlich ein problematisches Beispiel, weil die ursprüngliche Prüfung auf der Wirkung des Bienengiftes beruht.

Einzelne Hersteller sind daher auch dazu übergegangen das Bienengift selbst anzubieten unter der Bezeichnung Apisinum.

In der Praxis funktioniert allerdings auch Apis mellifica bei Symptomen, die an die Wirkung von Bienengift erinnern. Eine gewisse Großzügigkeit scheint dem Ähnlichkeitsprinzip inhärent zu sein (bei akuten Verschreibungen allerdings eher als bei chronischen).

  1. Warum werden die unvermeidlichen Verunreinigungen des Lösungsmittels nicht potenziert?

  2. Was wird potenziert, wenn der Urstoff nicht mehr vorhanden ist?

  3. Wie wird die zu potenzierende Eigenschaft selektiert? Beispiel: Warum wird nicht die Giftwirkung von Arsen durch das Potenzieren verstärkt, sondern nur die heilende Wirkung?

  4. Wie wird die Wirkung der Heilkraft durch Schütteln auf die zehn- oder hundertfache Menge übertragen?

  5. Wie wird die Wirksamkeit dabei verstärkt? Warum merkt man im normalen Leben hingegen nichts von der verstärkenden Wirkung des Schüttelns? Was ist der Unterschied, ob ich ein homöopathisches Präparat schüttele oder meinen Kaffee?

  6. Wie wird diese verstärkte Heilkraft auf dem Zucker gespeichert, nachdem die Lösung verdunstet ist?

  7. Wie wird die Heilkraft vom Zucker gelöst und im menschlichen Körper transportiert?

Das alles sind äußerst interessante Fragen, die sich eben nur mit Hilfe weiterer Grundlagenforschung beantworten lassen. – Aber stabil replizierbare Modelle sind dafür eine conditio sine qua non.

Replizierbar sind einzelne Modelle inzwischen – und das ist doch auch schon mal schön, weil es eben zeigt, dass doch „etwas drin“ ist, auch wenn sie noch nicht ganz stabil sind.

  1. Wie wird die Stelle identifiziert, an denen die Heilkraft ihre Wirkung entfalten soll, was nach homöopathischer Auffassung sehr spezifisch ist und von sehr vielen Faktoren außerhalb der Zelle bestimmt wird, etwa davon, was der Proband / Patient nachts träumt?

Was genau soll damit gesagt werden? Die Vorstellung in der Homöopathie ist zumindest, dass das jeweilige Mittel auf den gesamten Organismus wirkt. Aber selbstverständlich reagiert nicht jeder Teil in gleicher Weise. Der Darm zum Beispiel kann bei der Gabe entsprechender Substanzen Durchfälle entwickeln – das Hirn neigt in der Regel nicht dazu.

Und übrigens: Bitte diese Frage auch an die konventionelle Pharma-Forschung richten! – Meines Wissens sind die meisten der postulierten Rezeptoren bisher nicht wirklich nachgewiesen, und wenn, dann gibt es sie an vielen Stellen. Warum also dann eine „spezifische“ Wirkung postulieren? Opiatrezeptoren gibt es im Darm, an Blutzellen, in Gefäßen und nicht nur im Gehirn!

  1. Wie unterscheidet die Heilkraft, ob sie durch einen Gesunden oder durch einen Kranken eingenommen wurde? Im ersten Fall müsste sie Prüfsymptome erzeugen, im zweiten nicht, denn das wären dann unerwünschte Nebenwirkungen, die in der Homöopathie ja nicht auftreten.

Eine Einmalgabe erzeugt recht selten Symptome (und das gilt übrigens auch für ein ganzes Fläschchen auf einmal). Wenn man im Rahmen einer homöopathischen Arzneimittelprüfung Symptome gezielt hervorrufen möchte, muss das Mittel in kürzeren Abständen häufiger wiederholt eingenommen werden. Und das erzeugt dann Symptome – auch nicht bei allen Prüfern, aber doch bei ausreichend vielen. (Und warum das so ist, weiß niemand.)

Sehr selten erzeugt aber auch die Einmalgabe Symptome, die für das Arzneimittel typisch sind. Voraussetzung dafür ist eine hohe Empfindlichkeit des Probanden bzw. Patienten und wahrscheinlich auch ein bestimmter Grad an Übereinstimmung zwischen den Symptomen des Mittels und den konstitutionellen Symptomen des Prüfers.

Diese Reaktion ist aber erstens selten, zweitens sind die Symptome dann nicht persistierend und drittens sind sie funktioneller Natur [8].

Bei Kranken genügt in der Regel die einmalige Gabe eines passenden homöopathischen Arzneimittels um eine Reaktion zu erzeugen. – Das hat offenbar mit dem Prinzip der Kritikalität zu tun (s.u.).

Offenbar ist es eben so, dass ein kranker Organismus etwas aus dem Gleichgewicht geraten ist, so dass eine kleine Arzneimittelgabe ihn anregt, während ein gesunder Organismus relativ stabil ist und von einer einmaligen Arzneigabe nur sehr selten berührt wird.

  1. Wie unterscheidet die Heilkraft, ob sich die vorgefundene Zelle in der richtigen Region des Körpers befindet, also auf der rechten oder linken Seite zum Beispiel?“

s. Antwort auf Frage 10 – Und: Die Frage ist doch eigentlich umgekehrt: Warum tendieren manche Menschen dazu, Symptome an unterschiedlichen Stellen und möglicherweise auch zu unterschiedlichen Zeiten aber immer auf der gleichen Körperseite zu bekommen? (z.B. Halsentzündung rechts, Schmerzen im Handgelenk rechts und Schmerzen im großen Zeh wiederum rechts) – Klassisch pathophysiologisch ist das kaum zu erklären (vielleicht wäre dies mit einer Pathophysiologie, die sich auf die Theorie komplexer Systeme gründet zu erklären, aber die gibt es leider noch nicht); aber es kommt eben vor; und für eine homöopathische Verschreibung ist so etwas interessant und wichtig. Manche homöopathische Mittel zeigen in der Arzneimittelprüfung eben auch bevorzugt Symptome auf einer Körperseite.

  1. Wie unterscheidet die Heilkraft gesunde von kranken Zellen? Wenn die Zelle gesund ist, muss die Heilkraft an dieser Stelle die spezifischen Symptome erzeugen, die sie heilen kann, wenn die Zelle krank ist. Dies aber auch nur dann, wenn der Patient gesund ist, und nicht anderweitig krank (s. oben). Eine kranke Zelle muss sie hingegen heilen.

Das hat mit dem Prinzip der Kritikalität zu tun. Einfach gesagt: Eine Lawine kann man eben nur dort auslösen, wo genug Schnee liegt

  1. Wieso ist nach homöopathischer Auffassung weniger Wirkstoff in den Präparaten wirksamer, allerdings darf man von Hochpotenzen nicht zu viele nehmen, weil die Wirkung sonst zu stark wird? Welche Dosis-Wirkungs-Beziehung gilt denn nun?

Eine wirklich schöne Frage – und die Antwort ist nicht unkompliziert; z.T. muss man sicherlich auf die noch ausstehenden Ergebnisse künftiger Grundlagenforschung verweisen.

Warum das Prinzip der Potenzierung überhaupt funktioniert, wissen wir eben auch noch nicht. – In früheren Beiträgen zum Ähnlichkeitsprinzip und zur Potenzierung wurde aber schon darauf hingewiesen, dass dieses Prinzip rein pragmatisch entstanden ist aus dem Versuch, die Toxizität von Substanzen zu verringern. Mit einiger Überraschung stellte Hahnemann dann fest, dass die Heilwirkung bei einigen Patienten durch diese spezifische Form der Verdünnung sogar zunahm.

Aus dieser klinischen Beobachtung entstand dann innerhalb von etwa zehn Jahren das Prinzip der Potenzierung.

Allerdings: Die Heilwirkung nimmt nur bei ausreichender Passgenauigkeit zu (d.h. Übereinstimmung der Symptome des Patienten mit den Symptomen, die das Mittel hervorrufen kann). D.h. die Anforderung an die Präzision der Verschreibung steigt tendenziell mit der Höhe der Potenz. – Während Baldrian-Extrakt bei recht vielen Menschen einen arzneilichen Effekt hat, sind die Anforderungen an eine Verschreibung von Valeriana officinalis in einer Hochpotenz doch wesentlich höher.

Genau genommen ist die Heilwirkung auch keine Wirkung des Mittels; sie ist vielmehr eine Reaktion des Organismus auf den Reiz, also die Provokation durch das Arzneimittel. (Wenn man jemanden mit kaltem Wasser überschüttet, wird ihm oder ihr anschließend warm)

Man kann damit natürlich auch nur Reaktionen auslösen, die in der Möglichkeit des Organismus liegen. Genau genommen erhöht man also nur die statistische Wahrscheinlichkeit einer Spontanheilung – das aber wiederum offenbar sehr deutlich. (vgl. Norbert Aust – der Regenmacher)

Und um das Ganze jetzt noch komplizierter zu machen:

Manchmal sind Patienten sehr empfindlich und entwickeln Prüfungssymptome aufgrund einer Einmalgabe. Manchmal ist auch die Reaktion auf das Mittel zu stark.

In solchen Fällen kann man das Mittel bei der nächsten Einnahme dann verdünnen um die Reaktion abzuschwächen. – Aber das ist dann eben eine Verdünnung ohne weiteres Schütteln (oder eben eine recht hohe Verdünnung mit nur wenig Schütteln).

Und soweit sich das aus klinischer Erfahrung sagen lässt: Auch diese Verdünnung folgt nicht ganz einer klassischen pharmakologischen Dosis-Wirkungs-Kurve. Eine Halbierung der Dosis führt nicht zu einer Halbierung der Reaktion. Vielmehr scheint das eher einer logarithmischen Skala zu folgen: Eine Halbierung der Reaktion erfordert in etwa eine Verdünnung im Verhältnis von 1:50 (etwas zwischen 1:10 und 1:100 – ganz exakt lässt sich das nicht quantifizieren).

Anmerkungen

[1] Norbert Aust hier zitiert nach <http://www.br.de/radio/bayern2/gesellschaft/tagesgespraech/homoeopathie-medizin-heilkunst-hokuspokus-100.html>

[2] Bezüglich „sonst etwas“: Ich bin selbst kein Physiker und werde mich daher hüten, physikalische Hypothesen zu formulieren. Aber ich kann Physiker fragen.

Vor Jahren habe ich einmal Hans-Peter Dürr gefragt ob es denkbar sei, dass neben der Materie und der Energie noch Struktur bzw. Information als eine dritte Kategorie betrachtet werden könne.

Der Hintergrund meiner Frage: Wenn man einen Eisenstab magnetisiert (z.B. durch einfaches Reiben), ändert man eigentlich nur die Anordnung der Teilchen (aber nicht deren Chemie) – aber diese strukturelle Änderung hat dann einen physikalischen Effekt (nämlich den Magnetismus) – und eben dieser Effekt kann auch zur Speicherung von Informationen verwandt werden.

Die Antwort von Dürr war, dass dem so sei – nur sei die Information die eigentliche und grundlegende Kategorie, vor Energie und Materie.

Und diese Antwort fasziniert mich bis heute, auch weil sie bereits im Johannesevangelium formuliert ist mit Bezug auf die Genesis. („Am Anfang war das Wort … „)

Siehe auch Galileo-Report.

[3] Ich kenne eigentlich nur einen einzigen Fall, wo jemand das selbst gesehen hat und die Wirkung dennoch bestreitet –  Dieser Fall ist faszinierend und schwer zu erklären; ich versuche es daher gar nicht erst.

In aller Regel aber sind Menschen, die die gelegentlich doch sehr eindrucksvolle Wirkung eines passenden homöopathischen Mittels bei einer schweren akuten Krankheit gesehen haben (wenn sich der Zustand innert weniger Minuten deutlich bessert) sofort und unmittelbar überzeugt.

Und so nährt sich die ganze Diskussion um die Wirksamkeit von homöopathischen Mitteln aus dem Spannungsverhältnis zwischen dem Begriff Evidenz und dem englischen evidence.

Evidenz bezeichnet das unmittelbar aus eigener Anschauung Einleuchtende. – Wer einen Fallschirmabsprung erlebt oder auch nur gesehen hat, braucht keine Studie, um die Wirksamkeit von Fallschirmen zu beurteilen – und schon gar keine randomisierte Studie.

Menschen, die diese Erfahrung nicht gemacht haben, aber genau wissen dass „nichts drin“ ist fragen verständlicherweise nach den wissenschaftlichen Beweisen (evidence).

Aber wie überzeugt man Blinde von der Existenz von Farben?

[4] Forschungreader WissHom

[5] Die wichtigsten Erklärungsstrategien von Skeptiker-Seite um zu erklären, wieso die Mehrzahl der Doppelblindstudien einen signifikanten Effekt zeigt:

Publikations-Bias – die negativen Studien werden einfach nicht veröffentlicht und der Rest ist dann durch den statistischen Zufall zu erklären. – Das Problem ist nur, dass es dann eine recht große Zahl von unveröffentlichten Studien geben müsste, was wiederum schwer in Einklang damit zu bringen ist, dass Studien in der Homöopathie überwiegend nicht von Arzneimittelfirmen finanziert werden sondern von Stiftungen und öffentlichen Geldern; und bei diesen Finanzierungen lassen sich negative Ergebnisse kaum unterschlagen. Weiterhin zeigen eben auch die Ergebnisse der Funnel-Plot-Analyse bei der Meta-Analyse von Shang et al., dass es einen Publikations-Bias bei den Homöopathie-Studien nicht in größerem Maßstab geben kann.

Methodische Schwächen – Die meisten Studien genügen nicht mehr heutigen methodischen Standards. – Stimmt bedingt! – Nur ist das in der konventionellen Medizin nicht anders (s. Irrtum Nr. 2 – Unwissenschaftlich; Die Europäischen Wissenschaftsakademien und die Homöopathie) und ohnehin wird eine Studie dadurch noch nicht irrelevant. Ferner zeigen eben auch die methodisch hochwertigen Studien einen Effekt (ein Problem, mit dem sich auch schon Shang et al. herumschlagen musste, aber die fanden eine elegante Lösung s.u.; schon Shang und Kollegen bescheinigten übrigens den Homöopathiestudien insgesamt gute methodische Qualität).

Fälschung – Diese Behauptung wurde von Edzard Ernst aufgestellt, nur leider völlig ohne irgendeinen Beleg.

Indiskutabel – Dieser wissenschaftstheoretisch eher kühne aber immerhin originelle Ausweg stammt von Christian Weymayr (Die Homöopathie-Lüge). – Positive Homöopathie-Studien seien irrelevant, weil die Homöopathie per se unmöglich sei und daher wissenschaftlich gar nicht untersuchbar. (s. Irrtum „unmöglich“).

Siehe dazu auch die Widerlegung des sog. „Szientibilitätsarguments“ durch Walach und Fischer: Walach, H., & Fischer, K. (2014). Leserbrief zu Christian Weymayr: „Scientabilität – ein Konzept zum Umgang der EbM mit homöopathischen Arzneimitteln“. Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh.wesen (ZEFQ) (2013) 107, 606-610. Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen, 108(1), 80.e81-e83.

Irrelevant – Eine ebenfalls sehr originelle Lösung dieses Dilemmas wurde erstmals in der Metaanalyse von Shang et al. präsentiert und in dem Review von NHMRC noch verfeinert. Man schließe einfach alle Studien unterhalb einer willkürlich festgelegten Probandenzahl aus der Betrachtung aus und der Rest zeigt dann keinen relevanten Effekt mehr. Das ist nun zwar methodisch höchst fragwürdig (Bei einer Metaanalyse werden die Ergebnisse der Einzelstudien zusammengefasst und der Effekt dann neu gerechnet, die Größe der Einzelstudien ist daher nur von geringer Relevanz) und auch völlig unüblich bei Metaanalysen, aber äußerst elegant und wirksam.

[6] s. Blog von Norbert Aust Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie. Seine Kritik an einzelnen Studien schreibt er durchaus mit einigem Sachverstand und nicht alle seine Einwände gegen einzelne Studien sind irrelevant. Bedauerlich ist nur die Einseitigkeit seiner Darstellung (die fundamentale Kritik an Shang et al. z.B. formuliert er so, dass die Aussage der Studie damit nicht in Frage gestellt wird – Schade!). Bedauerlich ist aber auch, dass er seine Kritik nicht an die wissenschaftlichen Journals schickt, in denen die Originalarbeiten der jeweiligen Autoren publiziert wurden. Damit würde er sich in den wissenschaftlichen Diskurs begeben, müsste dann allerdings auch damit leben, dass einige seiner Argumente auch leicht zu entkräften sind.

[7] Forschung an ultrahohen Verdünnungen – relevant oder nicht?

[8] Es ist aber durchaus Gegenstand der Diskussion, ob diese Reaktionen als Unerwünschte Arzneiwirkungen (UAW) gesehen werden sollten. – Seitens des Bundesamtes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) werden sie jedenfalls so gewertet.

Meine persönliche Meinung dazu:

Es handelt sich ja nicht um pharmakologische Wirkungen (dazu ist die Dosis zu niedrig) sondern um sehr individuelle wenn auch spezifische Reaktionen.  Und jetzt mal etwas spitzfindig: Wenn es keine pharmakologische Wirkung gibt, kann es auch keine unerwünschten Wirkungen geben. – Allerdings bin ich durchaus auch der Meinung, dass etliche der seltenen UAWs (<1:100.000 – unter Einbeziehung des bekannten Underreporting von UAWs de facto also ca. 1:10.000) bei konventionellen Pharmaka wahrscheinlich auch in diesen Bereich fallen. Das sind möglicherweise zum Teil auch keine wirklichen UAWs sondern individuelle aber doch spezifische Reaktionen. Idiosynkrasie nannte man so etwas früher auch.

Es geht dabei auch um die Unterscheidung:

  • Wenn ich auf jemanden schieße und der fällt tot um, dann ist das nachvollziehbarerweise strafbar (je nach der Situation als Mord oder Totschlag – mindestens aber Körperverletzung mit Todesfolge)
  • Wenn ich ein Buch schreibe und nach dem Lesen dieses Buches bringen sich reihenweise Leute um, dann ist das auch nicht schön – aber nicht strafbar.

Der wesentliche Unterschied nämlich: Das Erstere ist eine Wirkung – das Zweite eine Reaktion. – Für Wirkungen bin ich verantwortlich, für Reaktionen nur sehr begrenzt.

Und nicht einmal in dem deutlich restriktiveren 19. Jh wurden „Die Leiden des jungen Werther“ verboten, obwohl sich nach dessen Lektüre reihenweise junge Männer umbrachten.

Bild

© vchalup – stock.adobe.com

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Norbert Aust – der Regenmacher

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Curt Kösters

Hat Norbert Aust recht, wenn er die Homöopathie zur Esoterik erklärt, die ihre ausbleibenden Erfolge mit allerlei Schutzbehauptungen hinwegerklärt?

Harald Walach schrieb in seinem Beitrag Ist Homöopathie also nun ein Placebo?

Effekte tauchen häufig erst nach einer dritten oder vierten Verschreibung auf, wenn zusätzliche Informationen vorliegen und oft, wenn die Hoffnung bereits verpufft ist.

Dazu schreibt nun Norbert Aust, ein bekannter Vertreter der Skeptiker-Szene, dass man die Spezifität der Homöopathie schlecht mit der Wirksamkeit von Verschreibungen erst nach dem 3. oder 4. Mal begründen könne. Genauso gut könne man dann behaupten, dass man mit Tangotanzen Regen machen kann. Denn wenn man es richtig macht, lange genug wartet etc. dann würde es auch irgendwann mal regnen. Und wenn man dann das Regnen auf das Tangotanzen zurückführen wolle, dann sei das doch offensichtlicher Unsinn. – Der vollständige Text findet sich auf dem Blog von Norbert Aust. [Link]

Sehr geehrter Herr Doktor Aust!

Möglicherweise verstehen Sie hier etwas falsch – vielleicht wollen Sie aber auch falsch verstehen.

Lassen Sie uns doch zunächst von akuten Erkrankungen sprechen – da ist es übersichtlicher und einfacher zu verstehen.

Wenn ich einfach mal die letzten 20 akuten Erkrankungen in meiner Praxis durchsehe, dann zeigt sich, dass die erste Verschreibung zu etwa 50% erfolgreich ist. Nun ist mir nicht unbekannt, dass Sie diese Behandlungserfolge ohnehin zum Placebo-Effekt erklären werden. Und auch wenn ich das nur begrenzt nachvollziehbar finde, kann ich das einfach mal so stehen lassen; und daher fängt hier das eigentliche Argument erst an.

Steigende statt sinkende Erfolgsraten mit wachsender Enttäuschung?

Wenn man den Effekt homöopathischer Arzneimittel ausschließlich mit Placebo erklären möchte, dann sollte man erwarten, dass bei den nachfolgenden Verschreibungen die Wahrscheinlichkeit des Erfolges rapide absinkt, bedingt durch wachsende Enttäuschung der Patienten. In der Tat liegt  die Erfolgsrate der zweiten Verschreibung dann bei etwa 40% – und Ihre Begeisterung über diese Aussage kann ich mir jetzt schon vorstellen!

Die Erfolgsrate der nächsten Verschreibungen sinkt dann aber nicht weiter – sondern steigt tendenziell. Wie erklären Sie sich das mit der Placebo-Hypothese?Und wie erklären Sie sich, dass die Erfolgsrate nur wenig mit der Schwere der Erkrankung korreliert – aber deutlich korreliert mit der Präzision der geschilderten Symptome?

Anmerkugen

Und nun noch einige Präzisierungen meinerseits – schon zur Vermeidung weiterer Missverständnisse:

  1. Ich habe hier zwecks Übersichtlichkeit etwas vereinfacht und nicht jede Besserung der Symptomatik als Erfolg bezeichnet – sondern nur Besserungen, die so deutlich waren, dass eine weitere Behandlung nicht erforderlich ist. Die 40%-Erfolgsrate der zweiten Verschreibung bezieht sich also nur auf die verbleibenden 50% noch nicht erfolgreich behandelter Patienten.
  2. In der täglichen Praxis gehe ich bei akuten Krankheiten von einer kausalen Verbindung zwischen Verschreibung und Besserung nur dann aus, wenn die Besserung innerhalb von zwei Stunden auftritt. Wenn also Patienten berichten: „Die Nacht war schlecht, aber heute geht es mir besser“ – dann bin ich äußerst skeptisch hinsichtlich der Kausalität und werte das auch nicht als Behandlungserfolg.
  3. Das Krankheitsspektrum ist in meiner Praxis wahrscheinlich recht ähnlich zu anderen hausärztlichen Praxen – alles zwischen banal und lebensbedrohlich. Lebensbedrohliche akute Krankheiten sind allerdings eher selten in einer hausärztlichen Praxis; und bei diesen 20 Fällen war kein Fall lebensbedrohlich. Nicht überraschend allerdings angesichts der aktuellen epidemiologischen Situation: Etwa die Hälfte hatte eine Influenza.

Die durchschnittliche Krankheitsdauer bis Behandlungserfolg lag bei 2,4 Tagen – bei Patienten mit Influenza bei 2,8 Tagen. Die Erklärung der tendenziell steigenden Erfolgsrate mit natürlichem Verlauf zieht hier also auch nicht so recht.

Und wenn Sie als Regentänzer eine wenigstens annähernd ähnliche Erfolgsbilanz zeigen können, empfehle ich Sie gerne weiter – z.B. an einige Länder in der Sahel-Zone. Die Menschen dort haben  ein Problem.

  • Und das war nun zugegeben polemisch: Denn die Sahel-Zone hat erkennbar kein akutes, sondern ein chronisches Problem.

Hier in Hamburg habe wir nur sehr selten Probleme mit mangelndem Regen; aber schon in Meck-Pomm klagen die Landwirte hin und wieder: Und wenn Sie denen zusagen könnten, dass mit einer 50%igen Wahrscheinlichkeit der Regen innerhalb von 24 Stunden auftritt, könnte ich Sie empfehlen!

Eine Vorwarnung allerdings: Sie müssen dann schon auch liefern! – und in meiner Praxis ist das auch nicht anders. Wenn ich nicht liefere, bleiben die Patienten aus.

Da meine Kompetenz hinsichtlich Regentanz allerdings äußerst begrenzt ist, schlage ich ein anderes Modell vor – wenngleich auch dieses nicht an Erfahrungen in Hamburg anknüpft:

Lawinen?

Angenommen:

  • Sie leben in einem Alpental und die Gefahr von Lawinen ist bedrohlich.
  • Im Nachbartal gibt es jemanden, der behauptet eine Lösung zu haben.
  • Dessen Idee: Die Lawinen auslösen, um sie zu entschärfen.
  • Er hat eine Kanone – und behauptet, damit Lawinen auslösen zu können.

Auf Anhieb klingt das etwas absurd: Lawinen auszulösen, um sie damit zu entschärfen! Noch absurder ist allenfalls seine Behauptung, dass das im Prinzip auch mit der Flinte möglich sei; dann müsse er allerdings sehr viel genauer treffen.

Aber weiterhin angenommen: Sie sind bereit, diese Idee zu erproben (natürlich nicht das mit der Flinte). Ihre Überlegung ist: Im schlimmsten Fall passiert gar nichts; im besten Fall geht die Lawine ab und ist harmlos – und in jedem Fall wissen Sie wenigstens den Zeitpunkt und können sich an einem sicheren Ort aufhalten.

Sie bringen daher diesen Einwohner des Nachbartals – samt seiner Kanone – in Ihr Tal, obwohl das doch ein gewisser Aufwand ist – und dann:

  • Als erstes fragt der nach genauen Karten!
  • Und dann möchte er auch noch Fotografien der Lawinenabgänge aus den letzten Jahren sehen!

Ich verstehe gut, dass Sie an diesem Punkt schon ziemlich genervt sind!

Der Einwohner des Nachbartals erklärt, dass er präzise Informationen braucht – und selbst damit keine 100%ige Erfolgsgarantie für seine Kanonenschüsse abgeben könne. Letzten Endes benötigt er dann sogar zehn Schüsse innert zwei Stunden um die Lawine endlich mal auszulösen. Das ist eine wirklich schwache Leistung – geradezu skandalös!

So wie ich Sie nun als Skeptiker kenne, würden Sie diesen obskuren Einwohner des Nachbartals darauf hinweisen, dass Lawinen so oder so irgendwann abgehen und dass Sie jedenfalls keinen kausalen Zusammenhang erkennen können – und dann würden Sie ihn einfach stehen lassen; soll er doch zusehen, wie er nach Hause kommt (mitsamt seiner Kanone).

Und ich verstehe das vollkommen: Recht haben Sie!

Mit freundlichen Grüßen

Curt Kösters

Placebowirkungen

PS: Ich glaube eigentlich nicht, dass Placebos bei einer akuten Infektion eine entsprechende Erfolgsrate haben. Gut belegt ist das eigentlich nur für Schmerzzustände. Und auch Frau Grams ist uns den angekündigten Nachweis noch schuldig, dass sie

schwere Angstzustände und Depressionen verschwinden, bösartige Krebsgeschwüre zurückgehen und akute eitrige Mandelentzündungen heilen sehen

kann unter einer psychosomatischen Behandlung. Ihr Buch „Homöopathie neu gedacht“ beginnt ja damit, dass sie diese Behandlungserfolge unter einer homöopathischen Behandlung gesehen habe – und auf den weiteren 220 Seiten legt sie dann dar, dass das nur ein Placebo-Effekt gewesen sein könne und dass sie konsequenterweise nun eine psychosomatische Ausbildung machen wird, offenbar um auf diese Weise ähnliche Behandlungseffekte zu erzielen. Ich warte immer noch gespannt.

Reproduzierbarkeit

Und dann gibt es in der Praxis ja noch weitere Phänomene, die aus meiner Sicht schwer mit der Placebo-Hypothese in Einklang zu bringen sind.

Was würden Sie als Regentänzer denken, wenn es nach ihrem Tanz sofort anfängt zu regnen – leider aber nur wenige Minuten? Und nach der Wiederholung regnet es dann wieder nur einige Minuten. Und nach der dritten Wiederholung tanzen Sie mit gesteigertem Rhythmus und dann endlich setzt der erhoffte Dauerregen ein. – Alles Zufall?

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Ist Homöopathie also nun ein Placebo? Pros, Cons, und einige Fälle zum Nachdenken

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Harald Walach

„Der Placebo-Effekt“, so habe ich im letzten Blog gezeigt, sollte eigentlich umbenannt werden in „Selbstheilungs-Effekt“ (www.homöopathie-forschung.info/placebo/). Ist also Homöopathie doch Placebo, also eine Arznei, die nur so tut als wäre sie eine, aber in Wirklichkeit nur psychologische Prozesse im Patienten auslöst, die dann zu einer Regulation und damit zur Selbstheilung führen? Ich hatte ja gesagt: die klügste und spezifischste Therapie wäre eine solche, die es verstünde solche Prozesse anzuregen und systematisch zu nützen. Ist also nun Homöopathie eine Placebotherapie in diesem Sinne, dass sie solche Selbstheilprozesse ausschließlich über psychologische Prozesse anregt und damit zu Linderung oder Heilung von Krankheit beiträgt?

Nehmen wir einen Teil der Antwort vorweg: Selbst wenn dem so wäre, dann wäre Homöopathie eine raffinierte Therapie die etwas kann, was andere Therapien kaum in dieser Systematik und allenfalls mit mehr Aufwand können. Sie löst nämlich  solche Selbstheileffekte, folgt man den Daten von unkontrollierten, systematischen Beobachtungsstudien, bei etwa 70% der Patienten aus, so dass Diagnosen und Symptome bei etwa einem Viertel der Patienten, die fast ausschließlich an chronischen Problemen litten und vorbehandelt waren, nach einem Jahr verschwunden waren  [1, 2].

Homöopathie ist Placebotherapie: Argumente dafür

Folgende Argumente sprechen dafür, dass Homöopathie eine Therapie ist, die über psychologische Prozesse Selbstheileffekte auslöst:

1) Es ist sehr schwer in klinischen Studien die Überlegenheit homöopathischer Therapie über Placebo eindeutig zu belegen

Auch wenn ich in meinem Kommentar zum EASAC-Dokument (www.homöopathie-forschung.info/easac/) geschrieben habe, dass sowohl die alten, als auch die neuen meta-analytischen Befunde zeigen, dass zumindest über alle Studien hinweg Homöopathie von Placebo  unterscheidbar ist, so ist daraus noch keine wissenschaftliche Tatsache konstruierbar. Denn eine wissenschaftliche Tatsache entsteht erst dann, wenn ein empirischer Befund so hart ist, dass selbst Skeptiker nicht daran vorbeikommen, ihn anzuerkennen und wenn der wissenschaftliche Diskursprozess diese Befunde allgemein akzeptiert hat. Dazu würde auch eine akzeptable Theorie gehören, die nicht in Sicht ist. Hinzu kommt, da muss man den skeptischen Argumenten recht geben, dass es sehr schwierig ist, im klinischen wie im experimentellen Feld replizierbare Befunde zu erzeugen. Anders gesagt: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Eine einzige klinische Studie, die positiv ist, heißt noch nicht, dass der Befund wissenschaftlich erhärtet ist. Es könnte sich um eine Zufallsschwankung handeln; Leute könnten sich getäuscht haben; es könnten unerkannte systematische Fehler passiert sein. Deshalb will man ja Replikationen, idealerweise durchgeführt von unabhängigen Forschungsgruppen [3]. Und die sind in der klinischen und experimentellen Forschung nicht so häufig. Deshalb gibt es zwar eine Überlegenheit über Placebo über alle Studien hinweg [4], aber nicht, wenn man nach replizierten klinischen oder experimentellen Paradigmen sucht. Es gibt zwar, so scheint es, in der experimentellen Grundlagenforschung einige replizierbare und replizierte Paradigmen, aber auch diese sind nicht ganz so einfach zu beurteilen.

Jedenfalls würde ich aus meiner eigenen Forschungserfahrung heraus tatsächlich bestätigen: die Inkonsistenz der Befunde in der Homöopathieforschung ist hoch, und dies spricht nicht dafür, dass wir es mit einem systematischen, klassischen pharmakologischen Effekt zu tun haben. Sonst wäre es uns wohl gelungen die in der unkontrollierten Praxis dokumentierten großen Effekte bei Kopfschmerzen etwa, in einer Serie von kontrollierten Studien einzufangen. Genau das ist bei den vorliegenden Studien zu Kopfschmerzen nicht gelungen. Und nur bei wenigen klinischen Syndromen sieht die Lage anders aus. Wenn man also das Kriterium einer, besser mehrerer, replizierter Serien von Studien in einem Forschungsmodell anlegt, dann ist zumindest in der klinischen Forschung der Unterschied von Placebo kaum zu sichern.

2) Die sog. „spezifischen“ Arzneimittelprüfungssymptome tauchen in homöopathischen pathogenetischen Studien oder Arzneimittelprüfungen nicht nur unter homöopathischen Arzneien, sondern auch unter Placebo auf

Einer der Pfeiler der Homöopathie ist ja die Prüfung von homöopathischen Arzneien am Gesunden. Das bedeutet: freiwillige Gesunde nehmen homöopathische Arzneien, meistens in potenzierter Form, zu sich und notieren die Symptome, die sie beobachten. Diese werden dann, zusammen mit Symptomen aus Vergiftungsberichten bei toxischen Substanzen oder Symptomen, die man bei Kranken beobachtet hat, die mit dem Arzneimittel geheilt wurden, zu den anzeigenden Symptomen der Arzneimittellehre. Das heißt, wenn ein Kranker dieses Symptom, meistens zusammen mit anderen, aufweist, dann verwendet man diese Arznei zur Behandlung. So ist die Arzneimittellehre entstanden, die mehr als 2000 Arzneien kennt, von denen wohl etwa 250 zu den häufiger verwendeten Arzneien gehören, deren Symptomatik ein guter homöopathischer Arzt mindestens im Überblick kennen sollte. Die Voraussetzung dafür ist natürlich, dass die Symptomensammlungen in den Arzneimittellehren stimmen und wirklich spezifisch sind. Es haben sich schon viele homöopathische Ärzte oder solche, die zu homöopathischen Ärzten wurden oder sich wieder von ihr abwandten, darüber beklagt, wie wenig klar eigentlich ist, ob diese Symptome wirklich stimmen.

Viele der originalen Arzneimittelbilder stammen etwa von Hahnemann selbst. Der hat immer wieder die gleichen Leute als Prüfer verwendet. Auch wenn er ein guter Beobachter war, tauchen bei den gleichen Prüfern auch unter verschiedenen Arzneien immer wieder ähnliche Symptome auf. Ist vielleicht ein Teil der in der Arzneimittellehre enthaltenen Symptome einfach der individuellen Symptomatik einzelner Prüfer geschuldet? Andere Prüfungen sind mit kaum mehr nachvollziehbarer Methodik gemacht. Die meisten, auch neueren Prüfungen, würden modernen methodischen Ansprüchen nicht standhalten [5]. Und bei neueren Prüfungen, die mit sorgfältiger Verblindung und Randomisierung arbeiten, tauchen die vermeintlich spezifischen Arzneimittelsymptome auch in Placebogruppen auf. Ich weiß von Prüfungen, wo neue Arzneimittel geprüft wurden und wunderbare Symptome erzeugt haben; fast alle in der Placebogruppe. Und manche publizierte Prüfungen zeigen dieses Dilemma sehr offenkundig [6, 7]. Ich selber habe auch solche paradoxen Effekte in meinen eigenen Prüfungen gesehen. Und erst wenn man ein paar methodische Tricks anwendet gelingt es mit einiger Sicherheit die Trennung von homöopathischen Prüfsymptomen und Placebosymptomen zu zeigen; aber auch dieser Befund ist im Moment noch nicht repliziert. [8-11]

Jeder der homöopathische Arzneimittelprüfungen gemacht hat weiß: auch in streng verblindeten Placebogruppen tauchen die spezifichen Arzneimittelsymptome auf; manchmal kriegt sie der Hund oder die Ehefrau oder der Freund derjenigen Person, die eigentlich das Arzneimittel prüfen soll. Das spricht nicht unbedingt dafür, dass wir es hier mit einem systematischen, klassischen pharmakologischen Effekt zu tun haben.

3) Durch die ausführliche Anamnese werden vor allem psychotherapeutische Effekte ausgelöst, die einen Placeboeffekt plausibel machen

Homöopathische Therapie macht es nötig, dass Ärzte, vor allem in chronischen Fällen, eine ausführliche Anamnese erheben, die alle Bereiche des Lebens umfasst, von den akuten Symptomen bis zu anderen Krankheiten, deren Geschichte, der Frage nach Beziehung und Sexualität bis hin zu Vorlieben für Nahrungsmittel und Freizeit, etc. Daher sind homöopathische Erstgespräche ausführlich, in den dokumentierten Studien bei der Hälfte aller Patienten bis zu 2 Stunden, oder auch länger [1]. Qualitative Befragung von Patienten hat außerdem gezeigt: es ist genau diese ausführliche Beschäftigung mit ihrer Symptomatik, die die Homöopathie für Patienten so attraktiv macht [12]. Während die durchschnittliche Konsultationsdauer in der Allgemeinarztpraxis für komplexere Fälle etwa 5 Minuten 40 Sekunden beträgt, bei Männern kürzer bei Frauen etwas länger [13], wenden Homöopathen selbst bei Nachkonsultationen mindestens 15 Minuten auf. Das macht plausibel: Was hier eigentlich passiert, ist ja eine verkappte Psychotherapie. Patienten fühlen sich verstanden, gesehen, gehört, ernstgenommen und das erleichtert, schafft Vertrauen, Hoffnung und Entspannung; all die Effekte, von denen wir gesagt haben, sie sind dazu angetan einen Selbstheileffekt auszulösen.

Das stimmt sicherlich. Die Frage wäre: Sind diese Effekte ausreichend? Warum kommen dann normale und in ihrer Kunst geschulte Psychotherapeuten mit einem ausführlichen Erstgespräch und einigen kürzeren Folgegesprächen ohne weitere Interventionen nicht zu dem gleichen Ergebnis? Man würde Psychotherapeuten nämlich ziemlich Unrecht tun, würde man davon ausgehen, sie täten nichts als einfach explorieren, zuhören und verstehen.

Eine spannende Frage wäre: Was wäre, wenn „normale“ Ärzte sich der homöopathischen Anamnesetechnik bedienten, ausführliche Gespräche führten und anschließend „nichts“ tun bzw. Placebokügelchen verteilen? Hätten sie die gleichen Effekte? Wir wissen es nicht, weil es eine solche Studie nicht gibt. Ansatzweise wurde das in einer allerdings zu kleinen Studie untersucht und da zeigte sich, dass der Gesprächseffekt sehr groß war und der Beitrag der Substanz nicht erkennbar [14]. Allerdings ist das kein wirklich belastbarer Befund, weil die Studie ihre eigenen Rekrutierungsziele verfehlte und zu wenig statistische Mächtigkeit hatte.

4) Die homöopathischen Substanzen enthalten keinerlei Wirkstoffe, können also pharmakologisch nur Placebos sein

Das ist das Standardargument der Homöopathiekritik seit Hahnemanns Zeiten. Es ist zweifellos richtig, dass man vor allem in den höheren Potenzen keine Moleküle der Ausgangsstoffe mehr findet oder allenfalls in so niedriger Konzentration, dass die Verunreinigungen im Alkohol, im Glas, im Wasser, viel mehr ins Gewicht fallen und eigentlich alle homöopathischen Hochpotenzen chemisch ziemlich ähnlich sind und wie ein Gemisch aus Silicea, Bor, Strontium und noch ein paar anderen Elementen, die vor allem aus dem Glas kommen, angesehen werden müssen [15].

Die Frage ist allerdings: Ist die implizite Voraussetzung richtig, dass nur molekular-substanzielle Effekte physiologisch relevant sein können, wenn sie in wägbarem Sinne nachweisbar sind? Also bis zu einer Verdünnungsgrenze, mit der der Organismus auch operiert und die liegt derzeit bei etwa 10-9, also einer homöopathischen Potenz von D9 oder C5? Ich glaube nicht, dass es dafür irgendein plausibles Argument gibt außer, dass dies die Standard-Voraussetzung der Pharmakologie ist. Was aber, wenn diese in manchen Fällen nicht stimmt? Was, wenn es auch andere physiologische Effekte geben könnte? Elektromagnetische zum Beispiel, die wir mittlerweile kennen? Oder magnetische? Oder Kopplungseffekte an schwache, aber spezifische Felder? Oder noch andere Effekte, von denen wir noch gar keine Ahnung haben? Das führt uns zu Gegenargumenten.

Homöopathie ist keine Placebotherapie: Argumente dagegen

1) Es gibt keine einzige medizinische Therapieform des 18. Jahrhunderts, die trotz der Weiterentwicklung der Medizin und trotz kontinuierlicher Anfeindungen und Forschungsrückschläge immer wieder Renaissancen und Popularitätsschübe im gleichen Masse erlebt hat, wie die Homöopathie

Die Homöopathie ist ein Kind des 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Damals gab es eine Fülle von Therapievorschlägen, die wesentlich populärer waren, als die Homöopathie, zum Beispiel der Brownianismus, der bei der geistigen Elite damals sehr beliebt war, weil logisch und einleuchtend [16]. Der Brownianismus ist sang- und klanglos untergegangen, obwohl er viele Unterstützer im kulturellen und medizinischen Mainstream hatte. Nicht aber die Homöopathie. Warum? Man könnte argumentieren, dass andere Naturheilverfahren, die damals aufkamen – die Wasserkuren von Prießnitz oder die Naturheilkunde von Kneipp und anderen – immer noch populär sind, was aber wenig über deren spezifische Effekte aussagt. Das mag sein. Mein Argument hier ist: wenn nichts, aber wirklich auch gar nichts, hinter der Homöopathie stecken würde, wäre dann nicht davon auszugehen, dass sie durch eine Art praktische Empirie aus dem Feld verschwunden wäre? Und zeigt nicht die schiere Tatsache, dass es die Homöopathie immer noch gibt, sehr zum Leidwesen vieler Intellektueller, die seit Hahnemanns Zeiten nicht müde werden sie zu bekämpfen, dass irgendetwas an ihr interessant sein muss? Die Homöopathie hat in ihrer Geschichte viele Rückschläge hinnehmen müssen. In den USA ist sie in Folge des Flexner-Reports und der Umstrukturierung der medizinischen Ausbildung, als Folge des Bannes der American Medical Association zu Beginn des 20. Jahrhunderts fast völlig von der Bildfläche verschwunden und erlebte dann wieder eine Renaissance. Warum? In Deutschland hat die braune Aneignung der Homöopathie und Naturheilkunde nicht unbedingt dazu beigetragen, sie den demokratischen Folgeinstitutionen und der Nachkriegsgeneration zu empfehlen, und der von den Nazis angestrengte Beweis der Homöopathie wurde aus verschiedenen Gründen nie erbracht [17]. Trotzdem ist die Homöopathie wieder neu populär geworden. Warum? Man kann sicher nicht allen Homöopathiefreunden vorwerfen, sie seien verkappte Nazis, wie das manche tun.

Wir haben heute in Deutschland vermutlich eines der besten medizinischen Versorgungssysteme der Welt. Daran kann es kaum einen Zweifel geben. Das scheint mir vor allem auf die Versorgung von Notfällen und akuten Erkrankungen zuzutreffen. Bei der Versorgung chronischer und funktioneller Beschwerden scheint das System weniger effizient zu sein. Denn sonst würden Menschen ja kaum nach anderen Optionen suchen. Alle Daten die wir kennen sprechen dafür, dass die typischen Homöopathiepatienten solche sind, die vorher alle möglichen konventionellen Optionen ausprobiert haben und entweder wegen deren Wirkungslosigkeit oder wegen unerwünschter Nebenwirkungen zum Homöopathen kommen. Woran liegt das? Offenbar müssen diese Patienten dort eine Form der Hilfe erfahren, die sie anderswo im System nicht erhalten haben. Ist das nur der Gesprächskompetenz der Homöopathen geschuldet? Ich weiß aus den Daten unserer eigenen Studie, dass Patienten oftmals durchaus unzufrieden sind mit der Tatsache, dass sie so viele intime Daten preisgeben müssen, um eine homöopathische Behandlung zu erhalten. Und wenn ich an das denke, was ich so von und über homöopathische Gespräche weiß, dann scheint mir eine Wirkung die nur auf dem Gespräch basiert, eher unwahrscheinlich. Dazu sind, mit Verlaub, die meisten Homöopathen zu schlechte Psychotherapeuten. Das allein scheint also keine ausreichende Erklärung dafür zu sein, dass es die Homöopathie noch immer, und mit gleichbleibender Popularität, gibt.

2) Die Popularität der Homöopathie scheint mit der Tatsache zusammenzuhängen, dass es immer wieder gut dokumentierte, manchmal spektakuläre, manchmal erstaunliche klinische Erfolge gibt, die nicht leicht erklärbar sind.

Eine offenkundige Ursache für den historischen Erfolg der Homöopathie sind ihre klinischen Erfolge. Das begann damit, dass homöopathische Behandlungen in den großen Cholera- und anderen Epidemien des 19. Jahrhunderts klinisch erfolgreicher waren als konventionelle, wodurch die Homöopathie ihren Siegeszug in Europa angetreten hat [18]. Das heißt nicht unbedingt, dass der Erfolg durch die homöopathischen Arzneien verursacht worden wäre. Die Tatsache, dass homöopathische Ärzte ihren Cholerapatienten Wasser gaben, was die konventionellen Ärzte nicht taten, und für eine freundliche Atmosphäre sorgten war möglicherweise ausreichend; denn neuere Versuche, diese Cholerabehandlung zu replizieren sind fehlgeschlagen [19].

Aber wenn man sich die homöopathischen Arzneimittellehren und die Literatur durchsieht, stößt man immer wieder auf erstaunliche Fallberichte. Nicht wenige von ihnen fügen die Bemerkung bei, dass der Behandler selbst nicht geglaubt habe, dass ein Erfolg denkbar wäre. Ich denke da etwa an den Fallbericht, den Charette in seiner Arzneimittellehre bei Arsenicum album anführt [20]. Ich kürze ab: Charette berichtet über einen Fall, den er 1927 behandelt hatte. Ein Mädchen hatte ihn zu ihrer sterbenskranken Mutter gerufen, die mit Typhus diagnostiziert worden war und aus dem Krankenhaus zum Sterben entlassen worden war. Er fand sie in einem Zustand vor, in dem er den Tod sehr nahe wähnte und gab ihr aufgrund der Symptomatik und auch, um ihr das Sterben zu erleichtern Arsenicum album C12 mit der Anweisung, das einige Tage weiterzunehmen. Als niemand den Totenschein abholt, sieht er erstaunt nach und findet die Patientin gebessert, die er dann noch eine Weile weiterbehandelt und nach 2 Wochen ohne Fieber und mit besserer Gesundheit wieder antrifft. Es folgen ein paar Komplikationen, die er mit anderen Arzneimitteln auffängt und nach 2 Monaten ist die Frau, der man den Tod prophezeit hatte, gesund.

Das ist einer von vielen Fällen aus der Literatur. Man kann nun natürlich anführen, dass Fälle nichts beweisen. Das stimmt. Aber sie können widerlegen und sie können gute Anhaltspunkte geben. Man kann mit Fällen etwa widerlegen, dass homöopathische Effekte nur bei trivialen Erkrankungen auftreten. Tun sie nicht, wie wir eben gesehen haben. Man kann mit sehr gut dokumentierten Fällen mindestens eine starke Korrelation von homöopathischer Arzneiwirkung und Symptomatik belegen. Das tut etwa folgender moderne Fall, der frei verfügbar ist [21]: Krebserkrankungen der Fortpflanzungsorgane sind bei Kindern sehr aggressiv. Dieser Fall handelt von einer solchen Behandlung bei einem indischen Mädchen. Die Eltern wollten keine konventionelle Nachsorge, nachdem der Primärtumor operiert worden war, sondern entschieden sich für eine homöopathische Behandlung. Eigentlich wäre aufgrund der Tumormarker eine Chemotherapie angezeigt gewesen, weil das Rückfallrisiko sehr groß war. In diesem Falle fand die Nachbehandlung mit einer mittelhohen Potenz von Tuberkulinum statt, die langsam in ihrer Höhe gesteigert wurde. Das Interessante an dem Fall aber ist nicht die Tatsache, dass das Kind nach einiger Zeit völlig beschwerde- und rückfallfrei mit einer Nachbeobachtung von 6 Jahren war, sondern dass innerhalb der Behandlung eine Heilungskrise auftrat, wie sie häufig zu beobachten ist. Starke Hautsymptome traten auf, die eine andere Arzneiwahl nötig machten. Eine Weiterbehandlung mit homöopathischem Pulsatilla in hoher Potenz führte zu einer graduellen Abheilung dieser Beschwerden und am Ende zu einer Stabilisierung. Interessant an diesem und ähnlichen Fällen ist: die therapeutische Tradition kennt solche Krisen, dass etwa Symptome von innen nach außen, also von einer Manifestation innerer Organe auf die Haut wandern und dass eine Folgebehandlung im homöopathischen Sinne dann das Terrain bereinigen kann. Eine solche Sequenz über Placebo-Effekte plausibel zu machen scheint mir zwar nicht unmöglich, aber sehr unwahrscheinlich zu sein.

3) Wenn Homöopathie nur als pharmakologisches Placebo wirken würde, dann würde man eine andere Datenlage erwarten

Die Aussage „Homöopathie ist nichts als ein Placebo“ ist, wissenschaftslogisch gesprochen, eine Allaussage. Und wissenschaftslogisch genügen einzelne Beispiele, die dieser Aussage widersprechen, um sie in ihrer Allgemeinheit als ungültig zu erweisen. Ich meine, dass die Fülle von Gegenbeispielen, die in Form von Fallgeschichten und Anekdoten vorliegt mindestens ein Gegenbeispiel birgt, die die Aussage unplausibel erscheinen lässt, dass Homöopathie immer und überall als Placebo anzusehen ist. Oben habe ich zwei Beispiele erwähnt, und man könnte vermutlich ein Leben damit zubringen, alle Fälle zu sichten und in diesem Sinne zu diskutieren.

Auch die Tatsache, dass mindestens manchmal in klinischen und experimentellen Studien so große Schwankungen auftreten, dass die Effekte sehr stark und statistisch sehr auffällig sind, ist nicht mit der Placebohypothese kompatibel. Natürlich sind auch Schwankungen denkbar, die extrem stark sind. Aber diese kommen selten vor und sollten dann durch Schwankungen balanciert werden, die in die andere Richtung mindestens ebenso stark sind, also Placebo gegenüber Homöopathie stark bevorzugen. Davon ist in der Literatur wenig zu sehen. Man müsste dann schon die etwas unplausible Hypothese bemühen, dass alle negativen Studien unpubliziert bleiben. Das ist unwahrscheinlich. Denn es gibt ja negative Studien, aber eben über alle Studien hinweg gesehen nicht ausreichend viele. Noch stärker wird das vielleicht sichtbar, wenn wir uns demnächst der Grundlagenforschung zuwenden.

4) Effekte tauchen häufig erst nach einer dritten oder vierten Verschreibung auf, wenn zusätzliche Informationen vorliegen und oft, wenn die Hoffnung bereits verpufft ist

Ein weiteres Phänomen, das schwer mit der Placebo-These erklärbar ist, ist folgendes: Erste Verschreibungen, manchmal auch zweite, sind nicht selten völlig wirkungslos bzw. sie lösen einen leicht als Placebo-Effekt erkennbaren kurzen Besserungsschub aus, der schnell verschwindet. Eigentlich müsste man ja folgendes erwarten: Wenn ein solcher Selbstheileffekt aufgrund des Gesprächs zustande kommt, dann sollte er in den meisten Fällen sofort nach der ersten Verschreibung sichtbar werden. Denn dann ist die Erwartung auf beiden Seiten hoch. Wenn die erste und auch die zweite Verschreibung aber wirkungslos  geblieben sind, warum sollte dann eine dritte Verschreibung, die vielleicht auf eine zusätzliche Information hin erfolgt, die durch eine nebenbei gemachte Äußerung bekannt wird, einen Effekt auslösen, den die ersten beiden nicht ausgelöst haben, wenn der generische Prozess der Kommunikation immer der selbe ist? Diese strikte Abhängigkeit der Verbesserungen von den richtigen Schlüsselsymptomen, die oft zu einer etwas ungewöhnlichen Arzneimittelwahl führen und dann relativ rasch und auch nach wenigen Worten geschehen können, sind mit einer reinen Placebo-These nicht gut vereinbar. Ein Kollege erzählte mir einmal folgende Geschichte: Eine Patientin bekam im Rahmen einer Homöopathie-Studie einen heftigen Hautausschlag, der es nötig machte, sie aus der Studie zu nehmen. Der verzweifelte Mann hatte sie im Auto gebracht. Der Kollege schrieb ihm ein Cortisonrezept und meinte noch, er könne ja bei der Gelegenheit vorher nochmals in der Apotheke Urtica urens C30, eine homöopathische Zubereitung der Brennessel, holen und ihr geben, bevor er das Cortison anwenden würde. Das tat er, gab der Frau im Auto noch die homöopathische Arznei. Bei der nächsten Ampel beobachtete, wie sie eingeschlafen war und als er nach Hause kam war der Ausschlag praktisch weg und das Cortison unnötig geworden. Möglicherweise war das Wissen um das Vorhandensein des Cortisons genug, um einen solchen Effekt auszulösen? Warum funktioniert das dann bei Millionen von anderen Menschen nicht, die das Cortison tatsächlich nehmen müssen, damit der Hautausschlag verschwindet? Homöopathisch ist der Fall klar: der Ausschlag hat dem Symptomenbild des Brennesselausschlages entsprochen und also hat die Arznei sehr rasch und präzis funktioniert.

Fassen wir zusammen:

Mir scheint die Datenlage mit zwei Hypothesen nicht kompatibel zu sein: Sie stützt nicht die Aussage, dass Homöopathie immer als Placebo anzusehen ist. Sie stützt aber auch nicht die Aussage, dass Homöopathie ein klassisch-pharmakologisches Signal ist, wie das die meisten Befürworter der Homöopathie meinen und was die Kritiker der Homöopathie voraussetzen, wenn sie die Homöopathie kritisieren.

Homöopathie scheint, zumindest manchmal und mit einer gewissen Systematik, Effekte auszulösen, die man von einer völlig unspezifischen Intervention nicht erwarten würde. Wie sie das tut ist völlig unklar. Vielleicht verbirgt sich dahinter ein kluger Trick, um Selbstheilreaktionen im Organismus auszulösen. Falls dem so wäre, dann wäre es von größter Bedeutung herauszufinden, wie sie das tut. Denn warum sehen wir solche Effekte dann nicht in anderen Therapien? Oder: wie könnten wir andere Therapien so gestalten, dass sie ebenfalls solche Selbstheileffekte auslösen? Das ist eigentlich die Gretchenfrage, die sich aus der Homöopathie ergibt. In der Zwischenzeit scheint die Homöopathie ein probates Mittel zu sein, solche Selbstheileffekte auszulösen.

Literatur

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